Erklärung Dignitas infinita über die menschliche Würde
Auf dem Kongress vom 15. März 2019 beschloss die damalige Kongregation für die Glaubenslehre, „mit der Ausarbeitung eines Textes zu beginnen, der die Unausweichlichkeit des Konzepts der Würde der menschlichen Person innerhalb der christlichen Anthropologie hervorhebt und deren Tragweite sowie die nützlichen Auswirkungen auf sozialer, politischer und wirtschaftlicher Ebene aufzeigt, unter Berücksichtigung der jüngsten Entwicklungen des Themas im akademischen Bereich und dessen ambivalenten Auffassungen im heutigen Kontext“. Ein erster diesbezüglicher Entwurf, der im Laufe des Jahres 2019 mit Hilfe einer Reihe von Experten erarbeitet wurde, wurde von einer eingeschränkten Konsultorenversammlung der Kongregation am 8. Oktober desselben Jahres als nicht zufriedenstellend bewertet.
Ein weiterer Entwurf des Textes wurde von der doktrinären Sektion auf der Grundlage der Beiträge mehrerer Experten von Grund auf neu erstellt. Dieser Entwurf wurde am 4. Oktober 2021 in einer Konsultorenversammlung in kleiner Besetzung vorgestellt und diskutiert. Im Januar 2022 wurde der neue Entwurf der Plenarsitzung der Kongregation vorgelegt, bei der die Mitglieder den Text gekürzt und vereinfacht haben.
Am 6. Februar 2023 wurde der neue, geänderte Text von einer kleinbesetzten Konsultorenversammlung bewertet, die einige weitere Änderungen vorschlug. Die neue Fassung wurde der Ordentlichen Versammlung des Dikasteriums (Feria IV) am 3. Mai 2023 zur Bewertung vorgelegt. Die Mitglieder stimmten zu, dass das Dokument mit einigen Änderungen veröffentlicht werden kann. Der Heilige Vater Franziskus genehmigte die Beschlüsse dieser Feria IV bei der mir am 13. November 2023 gewährten Audienz. Bei dieser Gelegenheit bat er mich auch, in dem Text Themen hervorzuheben, die eng mit dem Thema der Würde verbunden sind, wie das Drama der Armut, die Situation von Migranten, Gewalt gegen Frauen, Menschenhandel, Krieg und andere. Um diesem Hinweis des Heiligen Vaters bestmöglich nachzukommen, widmete die doktrinäre Sektion des Dikasteriums einen Kongress dem eingehenden Studium der Enzyklika Fratelli tutti, die eine originelle Analyse und Vertiefung des Themas der Menschenwürde „unabhängig von allen Umständen“ bietet.
Mit Schreiben vom 2. Februar 2024 wurde den Mitgliedern des Dikasteriums im Hinblick auf die Feria IV am darauffolgenden 28. Februar ein neuer, erheblich veränderter Textentwurf mit folgender Erläuterung übermittelt: „Dieser weitere Entwurf wurde notwendig, um einer besonderen Bitte des Heiligen Vaters zu entsprechen. Er forderte ausdrücklich, dass die Aufmerksamkeit auf die gegenwärtigen schweren Verletzungen der Menschenwürde in unserer Zeit im Anschluss an die Enzyklika Fratelli tutti gerichtet werden sollte. Die doktrinäre Sektion hat daher den ersten Teil gekürzt […] und detaillierter ausgearbeitet, worauf der Heilige Vater hingewiesen hatte“. Die Ordentliche Versammlung des Dikasteriums schließlich hat den Text der vorliegenden Erklärung am 28. Februar 2024 angenommen. Bei der Audienz, die mir zusammen mit dem Sekretär der doktrinären Sektion, Msgr. Armando Matteo, am 25. März 2024 gewährt wurde, hat der Heilige Vater dann die vorliegende Erklärung approbiert und ihre Veröffentlichung angeordnet.
Die Ausarbeitung des Textes, die sich über fünf Jahre hinzog, gibt zu verstehen, dass wir es mit einem Dokument zu tun haben, das aufgrund der Ernsthaftigkeit und der zentralen Bedeutung der Frage der Würde im christlichen Denken einen beträchtlichen Reifungsprozess benötigte, um zu dem endgültigen Entwurf zu gelangen, den wir heute veröffentlichen.
In den ersten drei Teilen erinnert die Erklärung an grundlegende Prinzipien und theoretische Annahmen, um wichtige Klarstellungen zu bieten, die die häufigen Verwirrungen vermeiden können, die bei der Verwendung des Begriffs „Würde“ auftreten. Im vierten Teil werden einige aktuelle problematische Situationen dargestellt, in denen die unermessliche und unveräußerliche Würde, die jedem Menschen zukommt, nicht angemessen anerkannt wird. Das Anzeigen solch schwerwiegender und aktueller Verletzungen der Menschenwürde erscheint geboten, denn die Kirche nährt die tiefe Überzeugung, dass der Glauben nicht von der Verteidigung der Menschenwürde, die Evangelisierung nicht von der Förderung eines würdigen Lebens und die Spiritualität nicht vom Einsatz für die Würde aller Menschen getrennt werden können.
Diese Würde aller Menschen kann in der Tat als „unendlich“ (dignitas infinita) verstanden werden, wie der heilige Johannes Paul II. bei einem Treffen mit Menschen, die von bestimmten Einschränkungen oder Behinderungen betroffen sind,[1] bekräftigt hat, um zu zeigen, dass die Würde aller Menschen jede äußerliche Erscheinung oder jedes Merkmal des konkreten Lebens der Menschen übersteigt.
Papst Franziskus wollte in der Enzyklika Fratelli tutti mit besonderem Nachdruck betonen, dass diese Würde „unabhängig von allen Umständen“ besteht, und forderte alle auf, sie in jedem kulturellen Kontext, in jedem Augenblick des Lebens eines Menschen zu verteidigen, unabhängig von körperlichen, psychologischen, sozialen oder sogar moralischen Mängeln. In dieser Hinsicht versucht die Erklärung zu zeigen, dass wir es mit einer universellen Wahrheit zu tun haben, zu deren Anerkennung wir alle aufgerufen sind, als grundlegende Voraussetzung dafür, dass unsere Gesellschaften wirklich gerecht, friedlich, gesund und letztlich authentisch menschlich seien.
Die Auflistung der in der Erklärung ausgewählten Themen ist sicherlich nicht erschöpfend. Es handelt sich jedoch um Themen, die es ermöglichen, verschiedene Aspekte der Menschenwürde zum Ausdruck zu bringen, die im Bewusstsein vieler Menschen heute möglicherweise verdunkelt sind. Einige sind für verschiedene Bereiche unserer Gesellschaft leicht akzeptabel, andere weniger. Sie erscheinen uns jedoch alle notwendig, weil sie zusammengenommen dazu beitragen, die Harmonie und den Reichtum des Denkens über die Würde zu erkennen, die sich aus dem Evangelium ergibt.
Die vorliegende Erklärung erhebt nicht den Anspruch, ein so reiches und entscheidendes Thema zu erschöpfen, sondern will einige Denkanstöße bereitstellen, die uns helfen, diese Thematik in der komplexen geschichtlichen Situation, in der wir leben, im Auge zu behalten, damit wir uns inmitten so vieler Sorgen und Ängste nicht verirren und uns nicht noch mehr zerreißenden und tiefen Leiden aussetzen.
Víctor Manuel Kard. Fernández
Präfekt
Einleitung
1. Eine unendliche Würde (Dignitas infinita), die unveräußerlich in ihrem Wesen begründet ist, kommt jeder menschlichen Person zu, unabhängig von allen Umständen und in welchem Zustand oder in welcher Situation sie sich auch immer befinden mag. Dieser Grundsatz, der auch von der Vernunft allein voll erkannt werden kann, ist die Grundlage für den Vorrang der menschlichen Person und den Schutz ihrer Rechte. Die Kirche bekräftigt und bestätigt im Licht der Offenbarung in absoluter Art und Weise diese ontologische Würde der menschlichen Person, die nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen und in Christus Jesus erlöst wurde. Aus dieser Wahrheit leitet sie die Gründe für ihr Engagement für die Schwächeren und weniger Mächtigen ab, wobei sie stets auf den „Primat der menschlichen Person und der Verteidigung ihrer Würde unabhängig von allen Umständen“[2] besteht.
2. Diese ontologische Würde und der einzigartige und herausragende Wert jeder Frau und jedes Mannes, die in dieser Welt existieren, wurden in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (10. Dezember 1948) von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verbindlich bekräftigt.[3] Beim Gedenken des 75. Jahrestags dieses Dokuments sieht die Kirche die Gelegenheit, erneut ihre Überzeugung zu verkünden, dass jeder Mensch, der von Gott geschaffen und von Christus erlöst wurde, gerade wegen seiner unveräußerlichen Würde anerkannt und mit Achtung und Liebe behandelt werden muss. Der erwähnte Jahrestag bietet der Kirche auch die Gelegenheit, einige Missverständnisse zu klären, die häufig in Bezug auf die Menschenwürde auftreten, und einige ernste und dringende konkrete Fragen in diesem Zusammenhang anzusprechen.
3. Seit Beginn ihrer Sendung hat sich die Kirche, geleitet vom Evangelium, darum bemüht, die Freiheit zu bekräftigen und die Rechte aller Menschen zu fördern.[4] In jüngster Zeit hat sie sich dank der Stimme der Päpste bemüht, dieses Engagement durch den erneuten Aufruf zur Anerkennung der grundlegenden Würde der menschlichen Person noch deutlicher zu formulieren. Der heilige Paul VI. sagte, dass „keine Anthropologie derjenigen der Kirche über die menschliche Person gleichkommt, selbst wenn sie individuell betrachtet wird, was ihre Originalität, ihre Würde, die Unantastbarkeit und den Reichtum ihrer Grundrechte, ihre Heiligkeit, ihre Erziehbarkeit, ihr Streben nach vollständiger Entwicklung und ihre Unsterblichkeit betrifft“[5].
4. Der heilige Johannes Paul II. erklärte 1979 auf der Dritten Lateinamerikanischen Bischofskonferenz in Puebla: „Die Menschenwürde ist ein Wert im Evangelium, der nicht verachtet werden kann, ohne den Schöpfer schwer zu verletzen. Diese Würde wird auf individueller Ebene verletzt, wenn Werte wie Freiheit, das Recht auf Religionsausübung, körperliche und seelische Unversehrtheit, das Recht auf lebensnotwendige Güter und auf das Leben nicht gebührend berücksichtigt werden. Sie wird auf gesellschaftlicher und politischer Ebene mit Füßen getreten, wenn Menschen ihr Recht auf Teilhabe nicht wahrnehmen können oder sie wird ungerechtfertigtem und unrechtmäßigem Zwang oder physischer oder psychischer Folter ausgesetzt usw. […] Wenn die Kirche bei der Verteidigung oder Förderung der Menschenwürde präsent ist, so tut sie dies in Übereinstimmung mit ihrer Sendung, die, obwohl sie religiös und nicht sozial oder politisch ist, nicht umhin kann, den Menschen in seiner Ganzheit zu betrachten.“[6]
5. Im Jahr 2010 erklärte Benedikt XVI. vor der Päpstlichen Akademie für das Leben, dass die Würde der Person „ein grundlegendes Prinzip [ist], das der Glaube an Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, immer verteidigt hat, vor allem wenn es gegenüber den geringsten und schutzlosesten Personen mißachtet wird“[7]. Bei einer anderen Gelegenheit sagte er vor Wirtschaftsfachleuten: „Die Wirtschafts- und die Finanzwelt sind kein Selbstzweck, sondern nur ein Werkzeug, ein Hilfsmittel. Ihr einziges Ziel ist die menschliche Person und ihre volle Erfüllung in Würde. Dies ist das einzige Kapital, das es zu bewahren gilt.“[8]
6. Gleich zu Beginn seines Pontifikats hat Papst Franziskus die Kirche eingeladen, „einen himmlischen Vater zu bekennen, der jeden einzelnen Menschen unendlich liebt“ und zu entdecken, „dass er ihm, dadurch unendliche Würde verleiht‘,“[9] wobei er nachdrücklich betont, dass diese unermessliche Würde eine ursprüngliche Gegebenheit darstellt, die mit Treue anerkannt und mit Dankbarkeit angenommen werden muss. Gerade auf diese Anerkennung und Annahme beruht die Möglichkeit, ein neues Zusammenleben unter den Menschen zu begründen, das die Weggemeinschaft in einem Horizont echter Brüderlichkeit dekliniert: Nur indem wir „die Würde jedes Menschen anerkennen“, können wir „bei allen ein weltweites Streben nach Geschwisterlichkeit zum Leben erwecken“[10]. Nach Papst Franziskus liegt „die Quelle der Menschenwürde und Geschwisterlichkeit im Evangelium Jesu Christi“[11], aber es ist auch eine Überzeugung, zu der die menschliche Vernunft durch Reflexion und Dialog gelangen kann, denn„ wenn man diese Würde in jeder Situation respektieren soll, dann nicht etwa deshalb, weil wir die Würde der anderen erfinden oder annehmen, sondern weil sie wirklich einen Wert besitzen, der über die materiellen Dinge und die Umstände hinausgeht; diese erfordern, dass sie auf andere Weise behandelt werden. Dass jeder Mensch eine unveräußerliche Würde besitzt, ist eine Wahrheit, die der menschlichen Natur unabhängig jeden kulturellen Wandels zukommt.“[12] In Wahrheit, so schließt Papst Franziskus, „besitzt der Mensch die gleiche unantastbare Würde in jeder historischen Epoche. Niemand kann sich durch die Umstände ermächtigt fühlen, diese Überzeugung zu leugnen oder ihr nicht entsprechend zu handeln“[13]. In dieser Perspektive stellt seine Enzyklika Fratelli tutti bereits eine Art Magna Charta der heutigen Aufgaben zur Wahrung und Förderung der Menschenwürde dar.
Eine grundlegende Klärung
7. Obwohl inzwischen ein recht allgemeiner Konsens über die Bedeutung und auch über die normative Tragweite der Würde und des einzigartigen und transzendenten Wertes jedes Menschen besteht,[14] birgt der Ausdruck „Würde der menschlichen Person“ oft die Gefahr, dass er viele Bedeutungen annehmen und somit zu möglichen Missverständnissen[15] und „Widersprüche[n führen kann], aufgrund derer wir uns fragen, ob die Gleichheit an Würde aller Menschen […] unter allen Umständen anerkannt, geachtet, geschützt und gefördert wird“[16]. All dies führt uns dazu, die Möglichkeit einer vierfachen Unterscheidung im Verständnis von Würde zu erkennen: die ontologische Würde, die sittliche Würde, die soziale Würde und schließlich die existenzielle Würde. Die wichtigste Sinngebung ist an die ontologische Würde gebunden, die der Person als solcher allein durch die Tatsache zukommt, dass sie existiert und von Gott gewollt, geschaffen und geliebt ist. Diese Würde kann niemals ausgelöscht werden und bleibt über alle Umstände hinaus gültig, in denen sich der Einzelne befinden kann. Wenn wir dagegen von sittlicher Würde sprechen, beziehen wir uns vielmehr auf die Ausübung der Freiheit durch das menschliche Geschöpf. Dieses ist zwar mit einem Gewissen ausgestattet, bleibt aber immer offen für die Möglichkeit, gegen dieses Gewissen zu handeln. Damit verhält sich der Mensch in einer Weise, die seiner Natur als von Gott geliebtes und zur Liebe zu seinen Brüdern und Schwestern berufenes Geschöpf „unwürdig ist“. Aber diese Möglichkeit besteht. Und nicht nur das. Die Geschichte bezeugt, dass die Ausübung der Freiheit gegen das vom Evangelium geoffenbarte Gesetz der Liebe unermessliche Ausmaße des Bösen erreichen kann, das anderen zugefügt wird. Wenn dies geschieht, stehen wir vor Menschen, die jede Spur von Menschlichkeit, jede Spur von Würde verloren zu haben scheinen. In dieser Hinsicht hilft uns die hier eingeführte Unterscheidung, genau zwischen dem Aspekt der sittlichen Würde, die tatsächlich „verloren“ gehen kann, und dem Aspekt der ontologischen Würde, die niemals aufgehoben werden kann, zu differenzieren. Und gerade wegen letzterer müssen wir uns mit aller Kraft dafür einsetzen, dass all jene, die Böses getan haben, umkehren und Buße tun.
8. Es gibt noch zwei weitere mögliche Bedeutungen von Würde: die soziale und die existenzielle. Wenn wir von sozialer Würde sprechen, beziehen wir uns auf die Bedingungen, unter denen ein Mensch lebt. Wenn beispielsweise in extremer Armut nicht die Mindestvoraussetzungen gegeben sind, damit ein Mensch ihrer ontologischen Würde entsprechend leben kann, sagen wir, dass das Leben dieses armen Menschen ein „unwürdiges“ Leben ist. Dieser Ausdruck bedeutet keineswegs eine Verurteilung der menschlichen Person, sondern soll die Tatsache hervorheben, dass ihre unveräußerliche Würde durch die Situation, in der sie zu leben gezwungen ist, beeinträchtigt wird. Die letzte Bedeutung ist die der existenziellen Würde. Immer häufiger sprechen wir heute von einem „würdigen“ und einem „unwürdigen“ Leben. Und mit dieser Bezeichnung beziehen wir uns auf Situationen, die eben existenziell sind: zum Beispiel der Fall eines Menschen, dem es an nichts Lebensnotwendigem fehlt, der aber aus verschiedenen Gründen Schwierigkeiten hat, in Frieden, Freude und Hoffnung zu leben. In anderen Situationen ist es das Vorhandensein schwerer Krankheiten, gewalttätiger familiärer Verhältnisse, bestimmter pathologischer Abhängigkeiten und anderer Schwierigkeiten, die jemanden dazu bringen, seine Lebensverhältnisse gegenüber der Wahrnehmung jener ontologischen Würde, die niemals verdunkelt werden kann, als „unwürdig“ zu erleben. Die hier eingeführten Unterscheidungen dienen jedenfalls nur dazu, uns an den unveräußerlichen Wert jener ontologischen Würde zu erinnern, die im Wesen der menschlichen Person selbst verwurzelt ist und unabhängig von allen Umständen besteht.
9. Schließlich sei an dieser Stelle daran erinnert, dass die klassische Definition von Person als „unteilbare Substanz der vernünftigen Natur“[17] die Grundlage ihrer Würde deutlich macht. In der Tat genießt die Person als „unteilbare Substanz“ die ontologische Würde (d. h. auf der metaphysischen Ebene des Seins selbst): Sie ist ein Subjekt, das, nachdem es seine Existenz von Gott erhalten hat, „subsistiert“, d. h. seine Existenz selbständig ausübt. Das Wort „vernünftig“ umfasst eigentlich alle Fähigkeiten des Menschen: sowohl die des Erkennens und Verstehens als auch die des Wollens, Liebens, Wählens und Begehrens. Der Begriff „vernünftig“ umfasst dann auch alle körperlichen Fähigkeiten, die mit den oben genannten eng verbunden sind. Der Ausdruck „Natur“ bezeichnet die dem Menschen eigenen Bedingungen, die die verschiedenen Unternehmungen und Erfahrungen ermöglichen: Die Natur ist das „Prinzip des Handelns“. Der Mensch erschafft seine Natur nicht, er besitzt sie als Geschenk und kann seine Fähigkeiten kultivieren, entwickeln und bereichern. Indem er von seiner Freiheit Gebrauch macht, um den Reichtum seiner eigenen Natur zu kultivieren, baut sich die menschliche Person im Laufe der Zeit auf. Selbst wenn sie aufgrund verschiedener Einschränkungen oder Bedingungen nicht in der Lage ist, diese Fähigkeiten zu nutzen, bleibt die Person immer als „unteilbare Substanz“ mit deren ganzer unveräußerlichen Würde erhalten. Dies ist z. B. bei einem ungeborenen Kind, bei einem bewusstlosen Menschen, bei einem alten Menschen im Todeskampf der Fall.
1. Ein fortschreitendes Bewusstsein für die zentrale Bedeutung der Menschenwürde
10. Bereits in der klassischen Antike[18] bildet sich eine erste Einsicht über die Menschenwürde, die von einer sozialen Perspektive ausgeht: Jeder Mensch ist mit einer bestimmten Würde ausgestattet, je nach seinem Rang und innerhalb einer bestimmten Ordnung. Von der sozialen Sphäre aus entwickelte sich der Begriff weiter zur Beschreibung der unterschiedlichen Würde der Wesen im Kosmos. In dieser Sichtweise besitzen alle Wesen ihre eigene „Würde“, je nach ihrem Platz in der Harmonie des Ganzen. Gewiss, an einigen Höhepunkten des antiken Denkens beginnt man, eine besondere Stellung des Menschen anzuerkennen, insofern er mit Vernunft ausgestattet und daher fähig ist, für sich selbst und die anderen Wesen in der Welt Verantwortung zu übernehmen,[19] aber wir sind noch weit entfernt von einem Denken, das die Achtung vor der Würde jedes menschlichen Wesens über alle Umstände hinweg begründen kann.
Biblische Perspektiven
11. Die biblische Offenbarung lehrt, dass jeder Mensch eine ihm innewohnende Würde besitzt, weil er nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist: „Dann sprach Gott: ,Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich‘ [..] Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ (Gen 1,26-27). Das Menschsein hat eine spezifische Qualität, das nicht auf das rein Materielle reduziert werden kann. Das „Bild“ bezeichnet nicht die Seele oder die intellektuellen Fähigkeiten, sondern die Würde von Mann und Frau. Beide erfüllen in ihrer gegenseitigen Beziehung der Gleichheit und der gegenseitigen Liebe die Funktion, Gott in der Welt zu repräsentieren, und sind dazu berufen, die Welt zu bewahren und zu pflegen. Nach dem Bilde Gottes geschaffen zu sein bedeutet also, dass wir einen heiligen Wert in uns tragen, der alle geschlechtlichen, sozialen, politischen, kulturellen und religiösen Unterschiede übersteigt. Unsere Würde wird uns geschenkt; sie ist weder eingefordert noch verdient. Jeder Mensch wird von Gott um seiner selbst willen geliebt und gewollt und ist daher in seiner Würde unantastbar. Im Exodus, dem Herzstück des Alten Testaments, zeigt sich Gott als derjenige, der den Schrei des Armen hört, das Elend seines Volkes sieht, sich um die Letzten und Unterdrückten kümmert (vgl. Ex 3,7; 22,20-26). Dieselbe Lehre findet sich im Gesetzeswerk des Deuteronomium (vgl. Dtn 12-26): Hier wird die Lehre über die Rechtsvorschriften in ein „Manifest“ der Menschenwürde umgewandelt, insbesondere zugunsten der dreifachen Kategorie, nämlich des Waisen, der Witwe und des Fremden (vgl. Dtn 24,17). Die alten Gebote des Exodus werden durch die Verkündigung der Propheten, die das kritische Gewissen Israels darstellen, in Erinnerung gerufen und aktualisiert. Die Propheten Amos, Hosea, Jesaja, Micha und Jeremia prangern in ganzen Kapiteln die Ungerechtigkeit an. Amos prangert hart die Unterdrückung des Armen und die Nichtanerkennung einer grundlegenden Menschenwürde des Schwachen an (vgl. Am 2,6-7; 4,1; 5,11-12). Jesaja verflucht diejenigen, die die Rechte der Armen mit Füßen treten und ihnen jegliches Recht absprechen: „Weh denen, die unheilvolle Gesetze erlassen und unerträgliche Vorschriften machen, um die Schwachen vom Gericht fern zu halten“ (Jes 10,1-2). Diese prophetische Lehre wird in der Weisheitsliteratur wiederaufgenommen. Jesus Sirach setzt die Unterdrückung der Armen mit dem Mord gleich: „Den Nächsten mordet, wer ihm den Unterhalt nimmt, Blut vergießt, wer dem Arbeiter den Lohn vorenthält“ (Sir 34,22). In den Psalmen geht die religiöse Beziehung zu Gott über die Verteidigung der Schwachen und Bedürftigen: „Verschafft Recht den Unterdrückten und Waisen, verhelft den Gebeugten und Bedürftigen zum Recht! Befreit die Geringen und Armen, entreißt sie der Hand der Frevler!“ (Ps 82,3-4).
12. Jesus ist in bescheidenen Verhältnissen geboren und aufgewachsen, und offenbart die Würde der Bedürftigen und der arbeitenden Menschen[20]. Während seines gesamten Wirkens bekräftigt Jesus den Wert und die Würde all derer, die das Ebenbild Gottes tragen, unabhängig von ihrem sozialen Status und ihren äußeren Umständen. Jesus hat kulturelle und kultische Schranken niedergerissen und den „Ausgestoßenen“ oder denjenigen, die am Rande der Gesellschaft stehen, ihre Würde zurückgegeben: den Zöllnern (vgl. Mt 9,10-11), den Frauen (vgl. Joh 4,1-42), den Kindern (vgl. Mk 10,14-15), den Aussätzigen (vgl. Mt 8,2-3), den Kranken (vgl. Mk 1,29-34), den Fremden (vgl. Mt 25,35), den Witwen (vgl. Lk 7,11-15). Er heilt, speist die Hungrigen, er verteidigt, befreit, er rettet. Er wird als fürsorglicher Hirte für das eine verlorene Schaf beschrieben (vgl. Mt 18,12-14). Er selbst identifiziert sich mit seinen geringsten Brüdern und Schwestern: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). In der biblischen Sprache sind die „Kleinen“ nicht nur die unmündigen Kinder, sondern auch die wehrlosen Jünger, die Unbedeutendsten, die Ausgestoßenen, die Unterdrückten, die Verworfenen, die Armen, die Ausgegrenzten, die Unwissenden, die Kranken, die von den herrschenden Gruppen Herabgestuften. Der glorreiche Christus wird aufgrund der Nächstenliebe richten, die darin besteht, dem Hungrigen, dem Durstigen, dem Fremden, dem Nackten, dem Kranken, dem Gefangenen, mit denen er sich identifiziert, geholfen zu haben (vgl. Mt 25,34-36). Für Jesus ist das Gute, das jedem Menschen getan wird, unabhängig von den Banden des Blutes oder der Religion, das einzige Beurteilungskriterium. Der Apostel Paulus stellt fest: Jeder Christ muss sich gemäß den Ansprüchen der Würde und der Achtung der Rechte aller Menschen (vgl. Röm 13,8-10) verhalten, gemäß dem neuen Gebot der Nächstenliebe (vgl. 1 Kor 13,1-13).
Entwicklungen des christlichen Denkens
13. Die Entwicklung des christlichen Denkens hat dann den Fortschritt der menschlichen Reflexion über das Thema der Würde angeregt und begleitet. Die klassische christliche Anthropologie, die sich auf die große Tradition der Kirchenväter stützt, betonte die Lehre vom Menschen, der nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen wurde, sowie dessen einzigartige Rolle in der Schöpfung.[21] Das mittelalterliche christliche Denken ist beim Sichten des Erbes des antiken philosophischen Denkens zu einer Synthese des Personenbegriffs gelangt, indem es die metaphysische Grundlage der Würde der Person anerkannte, wie die folgenden Worte des heiligen Thomas von Aquin bezeugen: „,Person‘ bezeichnet, was im Bereiche aller Natur am vollkommensten ist; was nämlich für sich besteht in der vernünftigen Natur”.[22] Diese ontologische Würde in ihrer privilegierten Manifestation durch das freie menschliche Handeln wurde später vor allem durch den christlichen Humanismus der Renaissance betont.[23] Selbst in der Sicht moderner Denker wie Descartes und Kant, die ebenfalls einige der Grundlagen der traditionellen christlichen Anthropologie in Frage stellten, sind Anklänge an die Offenbarung deutlich zu erkennen. Auf der Grundlage einiger neuerer philosophischer Überlegungen zum Status der theoretischen und praktischen Subjektivität hat die christliche Reflexion dann die Tiefe des Begriffes der Menschenwürde weiter hervorgehoben und hat im 20. Jahrhundert eine originelle Sichtweise erreicht, so z. B. den Personalismus. Diese Perspektive greift nicht nur die Frage der Subjektivität auf, sondern vertieft sie in Richtung Intersubjektivität und Beziehungen, die die menschlichen Personen miteinander verbinden.[24] Das zeitgenössische christliche anthropologische Konzept wurde auch durch die Überlegungen aus dieser letztgenannten Sichtweise bereichert.[25]
Gegenwärtige Zeiten
14. Heutzutage wird der Begriff „Würde“ vor allem verwendet, um die Einzigartigkeit der menschlichen Person zu betonen, die mit den anderen Lebewesen des Universums nicht vergleichbar ist. In diesem Sinne ist auch die Verwendung des Begriffs der Menschenwürde in der Erklärung der Vereinten Nationen von 1948 zu verstehen, in der von der „angeborenen Würde und den gleichen und unveräußerlichen Rechten aller Mitglieder der menschlichen Familie“ die Rede ist. Erst dieser unveräußerliche Charakter der Menschenwürde macht es möglich, von Menschenrechten zu sprechen.[26]
15. Zur weiteren Klärung des Begriffs der Würde ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Würde der Person nicht von anderen Menschen auf der Grundlage bestimmter Gaben und Eigenschaften verliehen wird, so dass sie möglicherweise entzogen werden könnte. Würde die Menschenwürde der Person von anderen Menschen verliehen, dann wäre sie bedingt und veräußerbar, und der eigentliche Sinn der Würde (so sehr sie auch zu achten ist) bliebe der Gefahr ausgesetzt, abgeschafft zu werden. In Wirklichkeit ist die Würde der Person innewohnend und wird eben nicht erst im Nachhinein verliehen; sie geht jeder Anerkennung voraus und kann nicht verloren werden. Folglich besitzen alle Menschen die gleiche, ihnen innewohnende Würde, unabhängig davon, ob sie in der Lage sind, diese angemessen zum Ausdruck zu bringen oder nicht.
16. Deshalb spricht das Zweite Vatikanische Konzil von „der erhabenen Würde, die der menschlichen Person zukommt, da sie die ganze Dingwelt überragt und Träger allgemeingültiger sowie unverletzlicher Rechte und Pflichten ist.“[27] Wie es im Vorwort der Konzilserklärung Dignitatis humanae heißt, kommt [d]ie Würde der menschlichen Person […] den Menschen unserer Zeit immer mehr zum Bewußtsein.“[28] Diese individuelle und gemeinschaftliche Gedanken- und Gewissensfreiheit beruht auf der Anerkennung der Würde des Menschen, „wie sie durch das geoffenbarte Wort Gottes und durch die Vernunft selbst erkannt wird“.[29] Das kirchliche Lehramt selbst hat mit immer größerer Einsicht die Bedeutung dieser Würde eingedenk der damit verbundenen Erfordernisse und Konsequenzen erkannt und ist zur Erkenntnis gelangt, dass die Würde eines jeden Menschen über alle Umstände hinweg dieselbe ist.
2. Die Kirche verkündet, fördert und macht sich zum Garanten der Menschenwürde
17. Die Kirche verkündet die gleiche Würde aller Menschen, unabhängig von ihren Lebensumständen und ihren Eigenschaften. Diese Verkündigung beruht auf einer dreifachen Überzeugung, die im Lichte des christlichen Glaubens der Menschenwürde einen unermesslichen Wert verleiht und die ihr innewohnenden Forderungen verstärkt.
Ein unauslöschliches Bild Gottes
18. Gemäß der Offenbarung entspringt zunächst einmal die Würde des Menschen der Liebe seines Schöpfers, der ihm die unauslöschlichen Züge seines Ebenbildes eingeprägt hat (vgl. Gen 1,26) und ihn dazu aufruft, ihn zu erkennen, zu lieben und in einer Bundesbeziehung mit ihm sowie in Brüderlichkeit, Gerechtigkeit und Frieden mit allen anderen Menschen zu leben. In dieser Sichtweise bezieht sich die Würde nicht nur auf die Seele, sondern auf die Person als untrennbare Einheit und ist somit auch ihrem Leib zu eigen, der auf seine Weise am Ebenbild des Menschen teilhat und auch dazu berufen ist, an der Herrlichkeit der Seele in der göttlichen Seligkeit teilzuhaben.
Christus erhebt die Würde des Menschen
19. Eine zweite Überzeugung geht von der Tatsache aus, dass die Würde der menschlichen Person in ihrer ganzen Fülle offenbart wurde, als der Vater seinen Sohn sandte, der die menschliche Existenz bis ins Innerste annahm: „Im Geheimnis der Menschwerdung bekräftigte der Sohn Gottes die Würde des Leibes und der Seele, die für den Menschen konstitutiv sind“.[30] Indem er sich durch seine Menschwerdung in gewisser Weise mit jedem Menschen vereinigte, bestätigte Jesus Christus, dass jeder Mensch allein durch die Zugehörigkeit zu derselben menschlichen Gemeinschaft eine unschätzbare Würde besitzt, die niemals verloren gehen kann.[31] Indem er verkündete, dass das Reich Gottes den Armen, den Demütigen, den Verachteten, den an Leib und Geist Leidenden gehört; indem er alle Arten von Krankheiten und Gebrechen heilte, auch die besorgniserregendsten wie den Aussatz. Indem er bekräftigte, dass das, was man diesen Menschen antut, ihm angetan wird, weil er in diesen Menschen gegenwärtig ist, brachte Jesus die große Neuheit der Anerkennung der Würde jedes Menschen, auch und gerade derjenigen, die als „unwürdig“ betrachtet wurden. Dieses neue Prinzip in der Menschheitsgeschichte, wonach der Mensch umso mehr „wert“ ist, respektiert und geliebt zu werden, je schwächer, elender und leidender er ist, bis hin zum Verlust seiner menschlichen „Gestalt“, hat das Gesicht der Welt verändert und zur Gründung von Einrichtungen geführt, die sich um Menschen in schwierigen Lebensumständen kümmern: ausgesetzte Neugeborene, Waisen, allein gelassene alte Menschen, psychisch Kranke, Menschen mit unheilbaren Krankheiten oder schweren Missbildungen, Menschen, die auf der Straße leben.
Eine Berufung zur Fülle der Menschenwürde
20. Die dritte Überzeugung betrifft die endgültige Bestimmung des Menschen: Nach der Schöpfung und der Menschwerdung offenbart uns die Auferstehung Christi einen weiteren Aspekt der menschlichen Würde. In der Tat besteht „der erhabenste Aspekt der Würde des Menschen in seiner Berufung zur Gemeinschaft mit Gott“,[32] angelegt für die Ewigkeit. So hängt „die Würde dieses Lebens […] nicht nur von seinem Ursprung, von seiner Herkunft von Gott ab, sondern auch von seinem Endziel, von seiner Bestimmung als Gemeinschaft mit Gott im Erkennen und in der Liebe zu ihm. Im Lichte dieser Wahrheit präzisiert und vervollständigt der hl. Irenäus seine Lobpreisung des Menschen: ,Herrlichkeit Gottes‘ ist ,der lebendige Mensch‘, aber ‚das Leben des Menschen besteht in der Schau Gottes‘“[33].
21. Folglich glaubt und bekräftigt die Kirche, dass alle Menschen, die nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen und in dem menschgewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Sohn wiedergeboren sind[34], dazu berufen sind, unter dem Wirken des Heiligen Geistes zu wachsen, um die Herrlichkeit des Vaters in demselben Bild widerzuspiegeln und am ewigen Leben teilzuhaben (vgl. Joh 10,15-16, 17,22-24; 2 Kor 3,18; Eph 1,3-14). In der Tat lässt „die Offenbarung […] die Würde der menschlichen Person in ihrem ganzen Umfang ans Licht treten“[35].
Ein Einsatz für die eigene Freiheit
22. Obwohl jeder Mensch von Anfang an eine unveräußerliche und ihm innewohnende Würde als unwiderrufliches Geschenk besitzt, hängt es von seiner freien und verantwortlichen Entscheidung ab, ob er diese Würde voll zum Ausdruck bringt und manifestiert oder sie schmälert. Einige Kirchenväter – wie der hl. Irenäus oder der hl. Johannes von Damaskus – haben zwischen Bild und Ähnlichkeit, von denen in der Genesis die Rede ist, unterschieden, und damit eine dynamische Sicht der menschlichen Würde selbst ermöglicht: Das Bild Gottes ist der Freiheit des Menschen anvertraut, damit unter der Führung und dem Wirken des Geistes seine Ähnlichkeit mit Gott wächst und jeder Mensch seine höchste Würde erlangt.[36] In der Tat ist jeder Mensch dazu berufen, die ontologische Tragweite seiner Würde auf existenzieller und moralischer Ebene in dem Maße zu manifestieren, in dem er sich in seiner eigenen Freiheit als Antwort auf die Liebe Gottes auf das wahre Gut ausrichtet. Da der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen ist, verliert er einerseits nie seine Würde und hört nie auf, dazu berufen zu sein, das Gute frei anzunehmen; andererseits kann sich seine Würde in dem Maße, wie er auf das Gute antwortet, frei, dynamisch und immer mehr manifestieren, wachsen und reifen. Das bedeutet, dass der Mensch auch danach streben muss, seiner Würde gerecht zu werden. So ist verständlich, in welchem Sinne die Sünde die Menschenwürde verwunden und verdunkeln kann, nämlich als ihr gegensätzliche Handlung, aber gleichzeitig kann die Sünde niemals die Tatsache auslöschen, dass der Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen wurde. Der Glaube trägt also entscheidend dazu bei, der Vernunft bei der Wahrnehmung der Menschenwürde zu helfen und ihre Wesenszüge anzunehmen, zu bestärken und zu verdeutlichen, wie Benedikt XVI. betonte: „Ohne die Korrekturfunktion der Religion kann jedoch auch die Vernunft den Gefahren einer Verzerrung anheimfallen, wenn sie zum Beispiel von Ideologien manipuliert wird oder auf einseitige Weise zur Anwendung kommt, ohne die Würde der menschlichen Person voll zu berücksichtigen. Ein solcher Mißbrauch der Vernunft war es ja auch, der den Sklavenhandel und viele andere gesellschaftliche Übel erst ermöglicht hat, nicht zuletzt die totalitären Ideologien des zwanzigsten Jahrhunderts“[37].
3. Die Menschenwürde, die Grundlage der Menschenrechte und -pflichten
23. Wie Papst Franziskus bereits daran erinnert hat, „in der modernen Kultur ist der Bezug, der dem Prinzip der unveräußerlichen Würde des Menschen am nächsten ist, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die der heilige Johannes Paul II. als einen, Meilenstein auf dem langen und schwierigen Weg der Menschheit‘ und als ‚eine der höchsten Ausdrucksformen des menschlichen Gewissens‘ bezeichnet hat“[38]. Um den Versuchen zu widerstehen, die tiefe Bedeutung dieser Erklärung zu verändern oder auszulöschen, lohnt es sich, an einige wesentliche Grundsätze zu erinnern, die immer beachtet werden müssen.
Unbedingte Achtung der Menschenwürde
24. Zu allererst gibt es trotz des wachsenden Bewusstseins für die Frage der Menschenwürde immer noch viele Missverständnisse des Begriffs Würde, die seine Bedeutung verfälschen. Einige schlagen vor, statt „Menschenwürde“ (und Rechte des Menschen) besser den Ausdruck „persönliche Würde“ (und Rechte „der Person“) zu verwenden, weil sie unter einer Person lediglich „ein vernunftbegabtes Wesen“ verstehen. Folglich leiten sie Würde und Rechte aus der Fähigkeit zu Erkenntnis und Freiheit ab, mit der nicht alle Menschen ausgestattet sind. Das ungeborene Kind hätte demnach keine persönliche Würde, ebenso wenig wie ein unselbstständig gewordener alter Mensch, oder jemand mit einer geistigen Behinderung.[39] Die Kirche besteht im Gegenteil auf der Tatsache, dass die Würde jeder menschlichen Person, gerade weil ihr untrennbar verbunden, „jenseits aller Umstände“ bleibt und ihre Anerkennung in keiner Weise von der Beurteilung der Fähigkeit zu Erkenntnis und zu freiem Handeln einer Person abhängen kann. Andernfalls wäre die Würde nicht als solche dem Menschen innewohnend, unabhängig von seiner Konditionierung und daher einer bedingungslosen Achtung würdig. Nur durch die Anerkennung einer dem Menschen innewohnenden Würde, die niemals verloren gehen kann, ist es möglich, ihr eine unantastbare und sichere Grundlage zuzusichern. Ohne jeden ontologischen Bezug wäre die Anerkennung der Menschenwürde unterschiedlichen und willkürlichen Bewertungen ausgeliefert. Die einzige Bedingung, unter der von einer der Person an sich innewohnenden Würde gesprochen werden kann, ist also die Zugehörigkeit zur menschlichen Gattung, weshalb „die Rechte der Person die Rechte des Menschen“ sind.[40]
Ein objektiver Bezugspunkt für die menschliche Freiheit
25.Zweitens wird der Begriff der Menschenwürde gelegentlich missbräuchlich verwendet, um eine willkürliche Vermehrung neuer Rechte zu rechtfertigen, von denen viele oft im Widerspruch zu den ursprünglich definierten stehen und nicht von ungefähr in Konflikt mit dem Grundrecht auf Leben gebracht werden,[41] als ob die Möglichkeit, jede individuelle Präferenz oder jede subjektive Befindlichkeit zu äußern und zu verwirklichen, garantiert werden müsste. Die Würde wird dann mit einer isolierten und individualistischen Freiheit gleichgesetzt, die beansprucht, bestimmte subjektive Wünsche und Neigungen als von der Gemeinschaft garantierte und finanzierte „Rechte“ durchzusetzen. Die Menschenwürde kann jedoch weder auf rein individuellen Maßstäben beruhen noch mit dem psychischen und leiblichen Wohlbefinden des Einzelnen allein identifiziert werden. Vielmehr beruht die Verteidigung der Menschenwürde auf konstitutiven Forderungen der menschlichen Natur, die weder von individueller Willkür noch von gesellschaftlicher Anerkennung abhängen. Die Pflichten, die sich aus der Anerkennung der Würde des anderen ergeben, und die entsprechenden Rechte, die sich daraus ableiten, haben daher einen konkreten und objektiven Inhalt, der auf der gemeinsamen menschlichen Natur beruht. Ohne einen solchen objektiven Bezug ist der Begriff der Würde in der Tat der unterschiedlichsten Willkür und Machtinteressen unterworfen.
Die Beziehungsstruktur der menschlichen Person
26. Die Menschenwürde trägt angesichts des Beziehungscharakters der Person dazu bei, die reduktionistische Perspektive einer selbstbezogenen und individualistischen Freiheit zu überwinden, die den Anspruch erhebt, ihre eigenen Werte unabhängig von den objektiven Normen des Guten und der Beziehung zu anderen Lebewesen zu schaffen. Zunehmend besteht nämlich die Gefahr, die Menschenwürde auf die Fähigkeit zu beschränken, nach eigenem Ermessen über sich selbst und das eigene Schicksal zu entscheiden, unabhängig von dem der anderen, ohne die Zugehörigkeit zur menschlichen Gemeinschaft zu berücksichtigen. In einem solchen falschen Verständnis von Freiheit gelingt es nicht, Pflichten und Rechte gegenseitig so anzuerkennen, dass einer für den anderen Sorge trägt. Wie der heilige Johannes Paul II. wahrheitsgemäß in Erinnerung ruft, hat die Freiheit ihren Platz „im Dienst der Person und ihrer Verwirklichung durch die Selbsthingabe und die Annahme der anderen; wenn die Freiheit jedoch in individualistischer Weise verabsolutiert wird, wird sie ihres ursprünglichen Inhalts entleert und steht im Widerspruch zu ihrer Berufung und Würde“[42].
27. Zur Würde des Menschen gehört also auch die der menschlichen Natur selbst innewohnende Fähigkeit, Verpflichtungen gegenüber anderen zu übernehmen.
28. Der Unterschied zwischen dem Menschen und den übrigen Lebewesen, der durch den Begriff der Würde hervorgehoben wird, darf nicht dazu führen, dass man die Gutheit der übrigen Geschöpfe vergisst, die nicht nur in Funktion des Menschen, sondern auch mit einem eigenen Wert und daher als dem Menschen anvertraute Geschenke existieren, die es zu hüten und zu pflegen gilt. Während also der Begriff der Würde dem Menschen vorbehalten ist, muss gleichzeitig die geschöpfliche Gutheit des übrigen Kosmos bekräftigt werden. Wie Papst Franziskus betont: „Gerade wegen seiner einzigartigen Würde und weil er mit Vernunft begabt ist, ist der Mensch aufgerufen, die Schöpfung mit ihren inneren Gesetzen zu respektieren […]: ‚Jedes Geschöpf besitzt seine eigene Güte und Vollkommenheit‘ […] Die unterschiedlichen Geschöpfe spiegeln in ihrem gottgewollten Eigensein, jedes auf seine Art, einen Strahl der unendlichen Weisheit und Güte Gottes wider. Deswegen muss der Mensch die gute Natur eines jeden Geschöpfes achten und sich hüten, die Dinge gegen ihre Ordnung zu gebrauchen.“[43] Mehr noch, „aber heute sind wir gezwungen zu erkennen, dass man nur von einem ‚situierten Anthropozentrismus‘ sprechen kann. Das heißt, wir müssen anerkennen, dass das menschliche Leben ohne andere Lebewesen nicht verstanden und nicht aufrechterhalten werden kann.“[44] In dieser Perspektive „ist es für uns nicht unerheblich, dass viele Arten aussterben und dass die Klimakrise das Leben so vieler Wesen bedroht.“[45] In der Tat gehört es zur Würde des Menschen, sich um die Umwelt zu kümmern und dabei besonders auf die menschliche Ökologie zu achten, die seine eigene Existenz bewahrt.
Befreiung des Menschen von jedem moralischen und sozialen Zwang
29. Diese Grundvoraussetzungen, so notwendig sie auch sein mögen, reichen nicht aus, um ein der Würde des Menschen entsprechendes Wachstum zu gewährleisten. Obwohl „Gott […] den Menschen als vernunftbegabtes Wesen erschaffen und ihm die Würde einer Person verliehen [hat], die aus eigenem Antrieb handelt und über ihre Handlungen Herr ist“,[46] zieht der freie Wille im Hinblick auf das Gute oft das Böse dem Guten vor. Daher muss die menschliche Freiheit ihrerseits befreit werden. Im Brief an die Galater, in dem es heißt: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ (Gal 5,1), erinnert Paulus an die Aufgabe eines jeden Christen, auf dessen Schultern eine Verantwortung für die Befreiung ruht, die sich auf die ganze Welt richtet (vgl. Röm 8,19ff). Es handelt sich um eine Befreiung, die aus Herzen des einzelnen Menschen herausgerufen ist, sich auszubreiten und ihre humanisierende Kraft in allen Beziehungen kundzutun.
30. Die Freiheit ist ein wunderbares Geschenk Gottes. Selbst wenn uns Gott mit seiner Gnade an sich zieht, tut er dies so, dass unsere Freiheit niemals verletzt wird. Es wäre daher ein großer Irrtum zu glauben, dass wir fern von Gott und seiner Hilfe freier sein können und uns deshalb würdiger fühlen. Losgelöst von ihrem Schöpfer kann unsere Freiheit nur schwächer werden und sich verdunkeln. Dasselbe geschieht, wenn die Freiheit sich als unabhängig von einem anderen Bezugspunkt als sich selbst begreift und jede Beziehung zu einer voraufgehenden Wahrheit als Bedrohung empfindet. Infolgedessen wird auch die Achtung vor der Freiheit und der Würde der anderen geschwächt. Papst Benedikt XVI. hat dies so erläutert: „Ein Wille, der sich für gänzlich unfähig hält, die Wahrheit und das Gute zu suchen, hat keine objektiven Gründe noch Motive für sein Handeln außer denen, die seine augenblicklichen und zufälligen Interessen ihm diktieren; er hat keine, Identität‘, die durch wirklich freie und bewußte Entscheidungen zu schützen und aufzubauen ist. Er kann daher nicht die Achtung seitens anderer, Willen‘ fordern, die sich ebenfalls von ihrem tiefsten Sein losgelöst haben, die also andere, Gründe‘ oder sogar gar keinen ,Grund‘ geltend machen können. Die Illusion, im ethischen Relativismus den Schlüssel für ein friedliches Zusammenleben zu finden, ist in Wirklichkeit der Ursprung von Spaltungen und von Verneinung der Würde der Menschen.“[47]
31. Außerdem wäre es nicht realistisch, eine abstrakte Freiheit zu behaupten, die frei von jeglichen Bedingungen, Zusammenhängen oder Einschränkungen ist. Vielmehr erfordert „[d]ie richtige Ausübung der persönlichen Freiheit […] exakte Voraussetzungen wirtschaftlicher, sozialer, rechtlicher, politischer und kultureller Art“,[48] die oft unerfüllt bleiben. In diesem Sinne können wir sagen, dass einige eine größere „Freiheit“ genießen als andere. Papst Franziskus hat diesen Punkt besonders hervorgehoben: „Einige wachsen in Familien mit guten wirtschaftlichen Voraussetzungen auf, erhalten eine solide Ausbildung, sind wohl genährt aufgewachsen oder besitzen von Natur aus bemerkenswerte Fähigkeiten. Sie werden sicherlich keinen aktiven Staat brauchen und nur Freiheit einfordern. Aber offensichtlich gilt das nicht für Menschen mit einer Behinderung, für Menschen aus einem armen Elternhaus, für Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau oder solche, die kaum Chancen auf eine angemessene Behandlung ihrer Krankheiten haben. Wenn die Gesellschaft in erster Linie auf den Kriterien des freien Marktes und der Leistung beruht, ist für sie kein Platz, und Geschwisterlichkeit wird zu einem allenfalls romantischen Ausdruck.“[49] Es ist daher unerlässlich zu verstehen, dass „die Befreiung von Ungerechtigkeiten […] der Freiheit und der Menschenwürde zugute [kommt]“[50], und zwar auf allen Ebenen und in allen Beziehungen des menschlichen Handelns. Damit echte Freiheit möglich ist, „müssen [wir] die Menschenwürde wieder in den Mittelpunkt stellen. Auf diesem Grundpfeiler müssen die sozialen Alternativen erbaut sein, die wir brauchen.“[51] In analoger Weise wird die Freiheit häufig durch zahlreiche psychologische, historische, soziale, erzieherische und kulturelle Zwänge beeinträchtigt. Die reale und die geschichtliche Freiheit müssen immer wieder „befreit“ werden. Und auch das Grundrecht auf Religionsfreiheit muss wieder bekräftigt werden.
32. Gleichzeitig ist es offensichtlich, dass die menschliche Geschichte Fortschritte im Verständnis der Würde und der Freiheit der Personen zeigt, aber nicht ohne Schatten und Gefahren einer entgegengesetzten Entwicklung. Davon zeugt das auch unter christlichem Einfluss – der in zunehmend säkularisierten Gesellschaften weiterhin lebendig ist – wachsende Bestreben, den Rassismus, die Sklaverei und die Ausgrenzung der Frauen, Kinder, Kranken und Behinderten zu beseitigen. Doch dieser mühsame Weg ist noch lange nicht zu Ende.
4. Einige schwere Verstöße gegen die Menschenwürde
33. Im Lichte der bisherigen Überlegungen zur zentralen Bedeutung der Menschenwürde werden in diesem letzten Abschnitt der Erklärung einige konkrete und schwerwiegende Verletzungen dieser Würde angesprochen. Dies geschieht im Geiste des kirchlichen Lehramtes, das, wie bereits erwähnt, in der Lehre der letzten Päpste seinen vollen Ausdruck gefunden hat. Papst Franziskus beispielsweise wird nicht müde, an die Achtung der Menschenwürde zu erinnern: „Jeder Mensch hat das Recht, in Würde zu leben und sich voll zu entwickeln, und kein Land kann dieses Grundrecht verweigern. Jeder Mensch besitzt diese Würde, auch wenn er wenig leistet, auch wenn er mit Einschränkungen geboren oder aufgewachsen ist; denn dies schmälert nicht seine immense Würde als Mensch, die nicht auf den Umständen, sondern auf dem Wert seines Seins beruht. Wenn dieses elementare Prinzip nicht gewahrt wird, gibt es keine Zukunft, weder für die Geschwisterlichkeit noch für das Überleben der Menschheit.“[52] Andererseits hört er nicht auf, allen die konkreten Verletzungen der Menschenwürde in unserer Zeit aufzuzeigen, und ruft alle zu einer energischen Annahme der Verantwortung und zum aktiven Handeln auf.
34. Entsprechend dem Wunsch, auf einige der vielen schweren Verletzungen der Menschenwürde in der heutigen Welt hinzuweisen, darf daran erinnert werden, was das Zweite Vatikanische Konzil in dieser Hinsicht gelehrt hat. So muss zur Kenntnis genommen werden, dass gegen die Menschenwürde steht, „was […] zum Leben selbst in Gegensatz steht, wie jede Art Mord, Völkermord, Abtreibung, Euthanasie und auch der freiwillige Selbstmord“[53]. Gegen unsere Würde verstößt auch, „was immer die Unantastbarkeit der menschlichen Person verletzt, wie Verstümmelung, körperliche oder seelische Folter und der Versuch, psychischen Zwang“[54]. Und schließlich „was immer die menschliche Würde angreift, wie unmenschliche Lebensbedingungen, willkürliche Verhaftung, Verschleppung, Sklaverei, Prostitution, Mädchenhandel und Handel mit Jugendlichen, sodann auch unwürdige Arbeitsbedingungen, bei denen der Arbeiter als bloßes Erwerbsmittel und nicht als freie und verantwortliche Person behandelt wird.“[55] Auch das Thema Todesstrafe muss hier erwähnt werden[56]: Auch die letztere verletzt unter allen Umständen die unveräußerliche Würde eines jeden Menschen. Man muss im Gegenteil anerkennen: „Die entschiedene Ablehnung der Todesstrafe zeigt, wie weit wir die unveräußerliche Würde jedes Menschen anerkennen und akzeptieren können, dass auch er seinen Platz in dieser Welt hat. Denn wenn ich ihn nicht dem schlimmsten aller Kriminellen abstreite, werde ich ihn niemandem absprechen. Ich werde allen die Möglichkeit geben, diesen Planeten mit mir zu teilen, ungeachtet dessen, was uns trennen mag.“[57] Es erscheint auch angebracht, auf die Würde der Menschen in den Gefängnissen hinzuweisen, die oft gezwungen sind, unter unwürdigen Bedingungen zu leben, und darauf, dass Folter die Würde eines jeden Menschen über allen Maßen verletzt, selbst wenn jemand sich schwerer Verbrechen schuldig gemacht hat.
35. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, soll im Folgenden auf einige schwerwiegende Verstöße von besonderer Aktualität hingewiesen werden.
Das Drama der Armut
36. Eines der Phänomene, das in hohem Maße dazu beiträgt, die Würde so vieler Menschen zu verleugnen, ist die extreme Armut, die mit der ungleichen Verteilung des Reichtums zusammenhängt. Wie der heilige Johannes Paul II. bereits betont hat: „Eine der größten Ungerechtigkeiten in der Welt von heute besteht gerade darin: Nur relativ wenige sind es, die viel besitzen, und viele jene, die fast nichts haben. Es ist die Ungerechtigkeit der schlechten Verteilung der Güter und Dienstleistungen, die ursprünglich für alle bestimmt sind.“[58] Außerdem wäre es illusorisch, eine oberflächliche Unterscheidung zwischen „reichen Ländern“ und „armen Ländern“ zu treffen. Benedikt XVI. erkannte bereits an: „Absolut gesehen, nimmt der weltweite Reichtum zu, doch die Ungleichheiten vergrößern sich. In den reichen Ländern verarmen neue Gesellschaftsklassen, und es entstehen neue Formen der Armut. In ärmeren Regionen erfreuen sich einige Gruppen einer Art verschwenderischer und konsumorientierter Überentwicklung, die in unannehmbarem Kontrast zu anhaltenden Situationen entmenschlichenden Elends steht. ‚Der Skandal schreiender Ungerechtigkeit‘ hält an,“[59] bei dem die Würde der Armen in doppelter Weise missachtet wird, zum einen durch den Mangel an Mitteln zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse und zum anderen durch die Gleichgültigkeit, mit der sie von denjenigen behandelt werden, die neben ihnen leben.
37. Mit Papst Franziskus darf deshalb schlussgefolgert werden: „Der Reichtum wächst, aber auf ungleiche Weise, und so, entstehen neue Formen der Armut‘. Wenn man sagt, dass die moderne Welt die Armut verringert habe, so misst man hier mit Maßstäben anderer Epochen, die nicht mit der aktuellen Wirklichkeit vergleichbar sind.“[60] In der Konsequenz, vermehrt sich die Armut “auf vielfältige Weise, wie etwa in der Versessenheit, die Kosten der Arbeit zu reduzieren, ohne sich der schwerwiegenden Konsequenzen bewusst zu werden, die eine solche Maßnahme auslöst; denn die entstandene Arbeitslosigkeit führt direkt zu einer zunehmenden Verbreitung der Armut.“[61] Unter diesen „zerstörerischen Auswirkungen der Herrschaft des Geldes“[62] gilt es zu erkennen: „es ,existiert keine schlimmere Armut als die, welche dem Menschen die Arbeit und die Würde der Arbeit nimmt‘“[63]. Wenn einige in einem Land oder in einer Familie mit weniger Entwicklungsmöglichkeiten geboren sind, gilt es anzuerkennen, das dies im Widerspruch zu ihrer Würde steht, die genau dieselbe derjenigen ist, die in einer reichen Familie oder in einem reichen Land geboren sind. Alle sind wir verantwortlich, wenn auch in unterschiedlichem Grad, für diese offene Ungerechtigkeit.
Der Krieg
38. Eine weitere Tragödie, die die Menschenwürde verleugnet, ist das Aufkommen des Krieges, heute wie zu allen Zeiten: „Kriege, Attentate, Verfolgungen aus rassistischen oder religiösen Motiven und so viele Gewalttaten gegen die Menschenwürde […] haben ,sich in zahlreichen Regionen der Welt so vervielfältigt, dass sie die Züge dessen angenommen haben, was man einen «dritten Weltkrieg in Abschnitten» nennen könnte‘“.[64] Mit seiner Spur der Zerstörung und des Schmerzes greift der Krieg kurz- und langfristig die Menschenwürde an: „Während wir das unveräußerliche Recht auf Selbstverteidigung und die Verantwortung, diejenigen zu schützen, deren Existenz bedroht ist, bekräftigen, müssen wir zugeben, dass Krieg immer eine ,Niederlage der Menschlichkeit‘ ist. Kein Krieg ist die Tränen einer Mutter wert, die ihr Kind verstümmelt oder tot gesehen hat; kein Krieg ist den Verlust des Lebens auch nur eines einzigen menschlichen Wesens wert, eines heiligen Wesens, das nach dem Bild und Gleichnis des Schöpfers geschaffen wurde; kein Krieg ist die Vergiftung unseres Gemeinsamen Hauses wert; und kein Krieg ist die Verzweiflung derjenigen wert, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen und in einem Augenblick ihrer Heimat und aller familiären, freundschaftlichen, sozialen und kulturellen Bindungen beraubt werden, die manchmal über Generationen hinweg aufgebaut wurden.“[65] Alle Kriege sind allein aufgrund der Tatsache, dass sie der Menschenwürde widersprechen, „Konflikte, die die Probleme nicht lösen, sondern sie vergrößern“[66]. Dies ist in unserer Zeit, in der es normal geworden ist, dass so viele unschuldige Zivilisten außerhalb des Schlachtfelds sterben, noch ernster.
39. Daher kann die Kirche auch heute nicht umhin, sich die Worte der Päpste zu eigen zu machen, indem sie mit Paul VI. wiederholt: „jamais plus la guerre, jamais plus la guerre!“[67] [niemals mehr Krieg], und bittet mit Johannes Paul II. „alle zusammen im Namen Gottes und im Namen des Menschen […]: Tötet nicht! Bringt den Menschen keine Zerstörung und Vernichtung! Denkt an eure Brüder, die Hunger und Elend erleiden! Achtet die Würde und die Freiheit eines jeden Menschen!“[68] Gerade in unserer Zeit ist dies der Schrei der Kirche und der ganzen Menschheit. Schließlich betont Papst Franziskus: „[Wir] können […] nicht mehr den Krieg nicht mehr als Lösung betrachten […]. Angesichts dieser Tatsache ist es heute sehr schwierig, sich auf die in vergangenen Jahrhunderten gereiften rationalen Kriterien zu stützen, um von einem eventuell ‚gerechten Krieg‘ zu sprechen. Nie wieder Krieg!“[69] Da die Menschheit oft in die gleichen Fehler der Vergangenheit zurückfällt, „um den Frieden aufzubauen, müssen wir die Logik der Rechtmäßigkeit des Krieges hinter uns lassen“[70]. Die enge Beziehung, die zwischen dem Glauben und der Menschenwürde besteht, macht es widersprüchlich, den Krieg auf religiöse Überzeugungen zu gründen: „Wer den Namen Gottes anruft, um den Terrorismus, die Gewalt und den Krieg zu rechtfertigen, beschreitet nicht den Weg des Herrn: Der Krieg im Namen der Religion wird zu einem Krieg gegen die Religion selbst.“[71]
Die Leiden der Migranten
40. Migranten gehören zu den ersten Opfern der vielfältigen Formen von Armut. In ihren Ländern wird ihnen nicht nur die Würde abgesprochen,[72] sondern auch ihr Leben gefährdet, weil sie nicht mehr die Mittel haben, eine Familie zu gründen, zu arbeiten oder sich zu ernähren.[73] Sobald sie in den Ländern angekommen sind, die in der Lage sein sollten, sie aufzunehmen, „werden [sie] als nicht würdig genug angesehen, um wie jeder andere am sozialen Leben teilzunehmen, und man vergisst, dass sie die gleiche innewohnende Würde besitzen wie alle Menschen. […] Niemand wird behaupten, dass sie keine Menschen sind, in der Praxis jedoch bringt man mit den Entscheidungen und der Art und Weise, wie man sie behandelt, zum Ausdruck, dass man ihnen weniger Wert beimisst, sie für weniger wichtig und weniger menschlich hält.“[74] Es ist daher immer dringend notwendig, sich immer wieder daran zu erinnern: „Jeder Migrant ist eine menschliche Person, die als solche unveräußerliche Grundrechte besitzt, die von allen und in jeder Situation respektiert werden müssen“[75]. Sie willkommen zu heißen ist ein wichtiger und bedeutsamer Weg, um „die unveräußerliche Würde jedes Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder Religion“[76] zu verteidigen.
Der Menschenhandel
41. Auch der Menschenhandel muss als eine schwere Verletzung der Menschenwürde angesehen werden.[77] Er ist nicht neu, aber seine Entwicklung nimmt tragische Dimensionen an, die für alle sichtbar sind, weshalb Papst Franziskus ihn besonders scharf anprangert: „Ich betone, dass der ,Menschenhandel‘ eine niederträchtige Aktivität ist, eine Schande für unsere Gesellschaften, die sich als zivilisiert bezeichnen! Ausbeuter und Kunden auf allen Ebenen sollten vor sich selbst und vor Gott ernsthaft ihr Gewissen erforschen. Die Kirche erneuert heute ihren eindringlichen Appell, dass die Würde und die Zentralität jeder Person stets geschützt werden durch die Achtung der Grundrechte, wie es die Soziallehre der Kirche unterstreicht – Rechte, deren wirkliche Ausbreitung sie dort, wo sie nicht anerkannt werden, für Millionen von Frauen und Männern auf allen Kontinenten anmahnt. […] In einer Welt, in der man so viel von Rechten spricht, scheint der einzige, der sie hat, das Geld zu sein.“[78]
42. Aus diesen Gründen dürfen die Kirche und die Menschheit den Kampf gegen Phänomene nicht aufgeben wie „Handel von menschlichen Organen und Geweben, sexuelle Ausbeutung von Knaben und Mädchen, Sklavenarbeit einschließlich Prostitution, Drogen- und Waffenhandel, Terrorismus und internationale organisierte Kriminalität […]. Diese Situationen und die Anzahl der unschuldigen Leben, die sie fordern, sind von solchem Ausmaß, dass wir jede Versuchung meiden müssen, einem Nominalismus zu verfallen, der sich in Deklarationen erschöpft und einen Beruhigungseffekt auf das Gewissen ausübt. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Institutionen wirklich effektiv sind im Kampf gegen all diese Plagen.“[79] Angesichts so unterschiedlicher und brutaler Formen der Verweigerung der Menschenwürde muss man sich immer mehr bewusst machen: „Der Menschenhandel ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“[80]. Er verleugnet die Menschenwürde im Wesentlichen in mindestens zweierlei Hinsicht: „Denn der Menschenhandel entstellt das Menschsein des Opfers, indem er seine Freiheit und Würde verletzt. Aber zugleich entmenschlicht er denjenigen, der ihn ausübt.“[81]
Sexueller Missbrauch
43. Die tiefe Würde, die dem Menschen seiner Gesamtheit von Geist und Körper innewohnt, ermöglicht es uns auch zu verstehen, warum jeder sexuelle Missbrauch tiefe Narben im Herzen derjenigen hinterlässt, die ihn erleiden, und wirklich, sie fühlen sich zutiefst in ihrer Menschenwürde verletzt. Es handelt sich hierbei um „ein Leid, das ein Leben lang andauern und durch keine Reue geheilt werden kann. Dieses Phänomen ist in der Gesellschaft verbreitet, es betrifft auch die Kirche und stellt ein ernsthaftes Hindernis für ihre Sendung dar.“[82] Daher setzt sie sich unermüdlich dafür ein, allen Arten von Missbrauch ein Ende zu setzen, und zwar beginnend im Inneren der Kirche.
Die Gewalt gegen Frauen
44. Gewalt gegen Frauen ist ein weltweiter Skandal, der zunehmend anerkannt wird. Während die gleiche Würde der Frauen in Worten anerkannt wird, sind die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern in einigen Ländern sehr gravierend, und selbst in den am weitesten entwickelten und demokratischen Ländern zeugt die konkrete soziale Realität davon, dass Frauen oft nicht die gleiche Würde zuerkannt wird wie Männern. Papst Franziskus unterstreicht diese Tatsache, wenn er feststellt: „[D]ie Gesellschaften auf der ganzen Erde noch lange nicht so organisiert, dass sie klar widerspiegeln, dass die Frauen genau die gleiche Würde und die gleichen Rechte haben wie die Männer. Mit Worten behauptet man bestimmte Dinge, aber die Entscheidungen und die Wirklichkeit schreien eine andere Botschaft heraus. In der Tat, ‚doppelt arm sind die Frauen, die Situationen der Ausschließung, der Misshandlung und der Gewalt erleiden, denn oft haben sie geringere Möglichkeiten, ihre Rechte zu verteidigen‘.“[83]
45. Der heilige Johannes Paul II. erkannte bereits an: „Es ist sicher noch viel zu tun, damit das Dasein als Frau und Mutter keine Diskriminierung beinhaltet. Es ist dringend geboten, überall die tatsächliche Gleichheit der Rechte der menschlichen Person zu erreichen, und das heißt gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Schutz der berufstätigen Mutter, gerechtes Vorankommen in der Berufslaufbahn, Gleichheit der Eheleute im Familienrecht und die Anerkennung von allem, was mit den Rechten und Pflichten des Staatsbürgers in einer Demokratie zusammenhängt.“[84] Ungleichheiten in diesen Bereichen sind verschiedene Formen von Gewalt. Er erinnerte auch daran, dass „[e]s […] an der Zeit [ist], die Formen sexueller Gewalt, deren Objekt nicht selten die Frauen sind, nachdrücklich zu verurteilen und geeignete gesetzliche Mittel zur Verteidigung hervorzubringen. Im Namen der Achtung der menschlichen Person müssen wir außerdem Anklage erheben gegen die verbreitete, von Genußsucht und Geschäftsgeist bestimmte Kultur, die die systematische Ausbeutung der Sexualität fördert, indem sie auch Mädchen im jungen Alter dazu anhält, in die Fänge der Korruption zu geraten und sich für die Vermarktung ihres Körpers herzugeben.“[85] Wie könnte man unter den Formen der Gewalt, die Frauen angetan werden, nicht den Zwang zur Abtreibung erwähnen, der sowohl die Mutter als auch das Kind betrifft und der so oft der Befriedigung des männlichen Egoismus dient? Und wie kann man nicht auch die Praxis der Polygamie erwähnen, die – wie der Katechismus der katholischen Kirche in Erinnerung ruft – im Widerspruch zur gleichen Würde von Frauen und Männern und auch im Widerspruch zur „ehelichen Liebe, die einzig und ausschließlich ist“[86]?
46. In diesem Horizont der Gewalt gegen Frauen kann das Phänomen der Frauenmorde nicht genug verurteilt werden. An dieser Front muss das Engagement der gesamten internationalen Gemeinschaft kompakt und konkret sein, wie Papst Franziskus bekräftigte: „Die Liebe zu Maria muss uns helfen, Haltungen der Anerkennung und der Dankbarkeit für die Frau, für unsere Mütter und Großmütter hervorzubringen, die eine Bastion im Leben unserer Städte sind. Fast immer im Stillen bringen sie das Leben voran. Es ist die Stille und die Kraft der Hoffnung. Danke für euer Zeugnis. […] aber mit Blick auf die Mütter und Großmütter möchte ich euch einladen, gegen eine Plage zu kämpfen, die unseren amerikanischen Kontinent heimsucht: die zahlreichen Fälle von Frauenmord. Und es sind unzählige Situationen von Gewalt, die hinter so vielen Mauern totgeschwiegen werden. Ich lade euch ein, gegen diese Quelle des Leidens zu kämpfen, indem ihr eine Gesetzgebung und eine Kultur der Ablehnung jeder Form von Gewalt fördert.“[87]
Abtreibung
47. Die Kirche hört nicht auf, daran zu erinnern, dass „die Würde eines jeden Menschen einen intrinsischen Charakter [hat] und sie gilt von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod. Gerade die Bejahung dieser Würde ist die unveräußerliche Voraussetzung für den Schutz der persönlichen und sozialen Existenz und zugleich die notwendige Bedingung für die Verwirklichung von Brüderlichkeit und sozialer Freundschaft unter allen Völkern der Erde.“[88] Auf der Grundlage dieses unantastbaren Wertes des menschlichen Lebens hat sich das kirchliche Lehramt stets gegen die Abtreibung ausgesprochen. In diesem Zusammenhang schreibt der heilige Johannes Paul II.: „Unter allen Verbrechen, die der Mensch gegen das Leben begehen kann, weist die Vornahme der Abtreibung Merkmale auf, die sie besonders schwerwiegend und verwerflich machen. […] Doch heute hat sich im Gewissen vieler die Wahrnehmung der Schwere des Vergehens nach und nach verdunkelt. Die Billigung der Abtreibung in Gesinnung, Gewohnheit und selbst im Gesetz ist ein beredtes Zeichen für eine sehr gefährliche Krise des sittlichen Bewußtseins, das immer weniger imstande ist, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, selbst dann, wenn das Grundrecht auf Leben auf dem Spiel steht. Angesichts einer so ernsten Situation bedarf es mehr denn je des Mutes, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen und die Dinge beim Namen zu nennen,ohne bequemen Kompromissen oder der Versuchung zur Selbsttäuschung nachzugeben. In diesem Zusammenhang klingt der Tadel des Propheten kategorisch: ,Weh denen, die das Böse gut und das Gute böse nennen, die die Finsternis zum Licht und das Licht zur Finsternis machen‘ (Jes 5,20). Gerade in bezug auf die Abtreibung ist die Verbreitung eines zweideutigen Sprachgebrauchs festzustellen, wie die Formulierung, Unterbrechung der Schwangerschaft‘, die darauf abzielt, deren wirkliche Natur zu verbergen und ihre Schwere in der öffentlichen Meinung abzuschwächen. Vielleicht ist dieses sprachliche Phänomen selber Symptom für ein Unbehagen des Gewissens. Doch kein Wort vermag die Realität der Dinge zu ändern: die vorsätzliche Abtreibung ist, wie auch immer sie vorgenommen werden mag, die beabsichtigte und direkte Tötung eines menschlichen Geschöpfes in dem zwischen Empfängnis und Geburt liegenden Anfangsstadium seiner Existenz.“[89] Ungeborene Kinder sind somit „sind die Schutzlosesten und Unschuldigsten von allen, denen man heute die Menschenwürde absprechen will, um mit ihnen machen zu können, was man will, indem man ihnen das Leben nimmt und Gesetzgebungen fördert, die erreichen, dass niemand das verbieten kann“[90]. Deshalb muss auch in unserer Zeit mit aller Kraft und Klarheit festgestellt werden, dass „diese Verteidigung des ungeborenen Lebens eng mit der Verteidigung jedes beliebigen Menschenrechtes verbunden [ist]. Sie setzt die Überzeugung voraus, dass ein menschliches Wesen immer etwas Heiliges und Unantastbares ist, in jeder Situation und jeder Phase seiner Entwicklung. Es trägt seine Daseinsberechtigung in sich selbst und ist nie ein Mittel, um andere Schwierigkeiten zu lösen. Wenn diese Überzeugung hinfällig wird, bleiben keine festen und dauerhaften Grundlagen für die Verteidigung der Menschenrechte; diese wären dann immer den zufälligen Nützlichkeiten der jeweiligen Machthaber unterworfen. Dieser Grund allein genügt, um den unantastbaren Wert eines jeden Menschenlebens anzuerkennen. Wenn wir es aber auch vom Glauben her betrachten, dann, schreit jede Verletzung der Menschenwürde vor dem Angesicht Gottes nach Rache und ist Beleidigung des Schöpfers des Menschen‘.“[91] Hierbei verdient das großzügige und mutige Engagement der heiligen Teresa von Kalkutta für die Verteidigung jeder empfangenen Person in Erinnerung gerufen zu werden.
Leihmutterschaft
48. Die Kirche wendet sich auch gegen die Praxis der Leihmutterschaft, durch die das unermesslich wertvolle Kind zu einem bloßen Objekt wird. In dieser Hinsicht sind die Worte von Papst Franziskus von einzigartiger Klarheit: „[D]er Weg des Friedens erfordert die Achtung vor dem Leben, vor jedem menschlichen Leben, angefangen bei dem des ungeborenen Kindes im Mutterleib, das weder beseitigt noch zu einem Objekt der Kommerzialisierung gemacht werden darf. In diesem Zusammenhang halte ich die Praxis der sogenannten Leihmutterschaft für verwerflich, da sie die Würde der Frau und des Kindes schwer verletzt. Sie basiert auf der Ausnutzung der materiellen Notlage der Mutter. Ein Kind ist immer ein Geschenk und niemals ein Vertragsgegenstand. Ich plädiere daher dafür, dass sich die internationale Gemeinschaft für ein weltweites Verbot dieser Praxis einsetzt.“[92]
49. Die Praxis der Leihmutterschaft verletzt in erster Linie die Würde des Kindes. Jedes Kind besitzt nämlich vom Moment der Empfängnis, der Geburt und dann in seinem Heranwachsen als Junge oder Mädchen bis hin zum Erwachsenwerden eine unantastbare Würde, die in jeder Phase seines Lebens deutlich zum Ausdruck kommt, wenn auch in einzigartiger und differenzierter Weise. Das Kind hat daher kraft seiner unveräußerlichen Würde das Recht auf eine vollständig menschliche und nicht künstlich herbeigeführte Herkunft und auf das Geschenk eines Lebens, das zugleich die Würde des Gebers und des Empfängers zum Ausdruck bringt. Die Anerkennung der Würde der menschlichen Person schließt auch die Anerkennung der Würde der ehelichen Vereinigung und der menschlichen Fortpflanzung in all ihren Dimensionen ein. In diesem Sinne kann der legitime Wunsch, ein Kind zu bekommen, nicht in ein „Recht auf ein Kind“ umgewandelt werden, das die Würde des Kindes selbst als Empfänger der freien Gabe des Lebens nicht respektiert.[93]
50. Die Praxis der Leihmutterschaft verletzt zugleich die Würde der Frau selbst, die dazu gezwungen wird oder sich aus freien Stücken dazu entschließt, sich ihr zu unterwerfen. Durch eine solche Praxis wird die Frau von dem Kind, das in ihr heranwächst, losgelöst und zu einem bloßen Mittel, das dem Profit oder dem willkürlichen Wunsch anderer unterworfen ist. Dies widerspricht in jeder Hinsicht der grundlegenden Würde eines jeden Menschen und seinem Recht, immer als er selbst und niemals als Instrument für etwas Anderes anerkannt zu werden.
Die Euthanasie und assistierter Suizid
51. Es gibt einen besonderen Fall der Verletzung der Menschenwürde, der zwar leiser ist, aber immer mehr an Bedeutung gewinnt. Seine Besonderheit besteht darin, dass ein falscher Begriff von Menschenwürde verwendet wird, um ihn gegen das Leben selbst zu wenden. Diese heute weit verbreitete Verwechslung tritt bei der Diskussion über die Euthanasie zutage. So werden Gesetze, die die Möglichkeit der Sterbehilfe oder des assistierten Suizids anerkennen, manchmal als „Gesetze zum würdevollen Sterben“ („death with dignity acts“) bezeichnet. Es herrscht die weit verbreitete Auffassung, dass Sterbehilfe oder Beihilfe zum Suizid mit der Achtung der Würde des Menschen vereinbar seien. Angesichts dieser Tatsache muss mit Nachdruck bekräftigt werden, dass das Leiden nicht dazu führt, dass der kranke Mensch die ihm innewohnende und unveräußerliche Würde verliert, sondern dass es zu einer Gelegenheit werden kann, die Bande der gegenseitigen Zugehörigkeit zu stärken und sich der Kostbarkeit eines jeden Menschen für die gesamte Menschheit bewusster zu werden.
52. Sicherlich verlangt die Würde des Kranken, dass jeder die angemessenen und notwendigen Anstrengungen unternimmt, um sein Leiden durch eine angemessene palliative Pflege zu lindern und jeden therapeutischen Übereifer oder unverhältnismäßige Maßnahme zu vermeiden. Diese Fürsorge entspricht der „ständige[n] Pflicht, die Bedürfnisse des Patienten zu verstehen: die des Beistands und der Schmerzlinderung sowie emotionale, affektive und spirituelle Bedürfnisse“[94]. Ein solches Bemühen ist jedoch etwas ganz anderes, unterschiedliches, ja gegenteiliges gegenüber der Entscheidung, das eigene oder das Leben eines anderen unter der Last des Leidens zu beseitigen. Das menschliche Leben, selbst in seinem schmerzhaften Zustand, ist Träger einer Würde, die immer geachtet werden muss, die nicht verloren gehen kann und deren Achtung bedingungslos bleibt. Es gibt in der Tat keine Bedingungen, ohne die das menschliche Leben nicht mehr würdig wäre und deshalb beseitigt werden könnte: „Das Leben hat für jeden die gleiche Würde und den gleichen Wert- Der Respekt vor dem Leben des anderen ist der gleiche, den man seiner eigenen Existenz schuldet“[95]. Dem Suizidanten zu helfen, sich das Leben zu nehmen, ist daher ein objektiver Verstoß gegen die Würde der Person, die darum bittet, selbst wenn dies die Erfüllung ihres Wunsches ist: „Wir müssen zum Tod begleiten, nicht den Tod herbeiführen oder Beihilfe zu irgendeiner Form des Selbstmords leisten. Ich erinnere daran, dass das Recht auf Behandlung, und zwar auf Behandlung für alle, stets an erster Stelle stehen muss, damit die schwachen Menschen, insbesondere die alten und kranken Menschen, niemals weggeworfen werden. Das Leben ist ein Recht, nicht der Tod, der angenommen werden muss und nicht verabreicht werden darf. Und dieses ethische Prinzip betrifft alle, nicht nur die Christen oder die Gläubigen.“[96] Wie bereits erwähnt, impliziert die Würde eines jeden Menschen, wie schwach oder leidend er auch sein mag, die Würde aller Menschen.
Der Ausschuss von andersfähigen Menschen
53. Ein Kriterium für die tatsächliche Beachtung der Würde eines jeden Menschen ist natürlich die Fürsorge für die am meisten Benachteiligten. Unsere Zeit zeichnet sich leider nicht gerade durch eine solche Fürsorge aus: In Wahrheit setzt sich eine Wegwerf-Kultur durch.[97] Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, verdient die Situation derjenigen, die sich in einer Situation körperlicher oder psychischer Defizite befinden, besondere Aufmerksamkeit und Fürsorge. Dieser Zustand der besonderen Verletzlichkeit,[98] der in den Evangelienberichten so sehr im Vordergrund steht, stellt allgemein die Frage, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, gerade in einem Zustand der Beeinträchtigung oder Behinderung. Die Frage nach der Unvollkommenheit des Menschen hat auch aus soziokultureller Sicht deutliche Auswirkungen, da Menschen mit Behinderungen in einigen Kulturen manchmal an den Rand gedrängt, wenn nicht sogar unterdrückt werden, da sie als echter „Abfall“ behandelt werden. In Wirklichkeit erhält jeder Mensch, unabhängig von seiner Verletzlichkeit, seine Würde gerade dadurch, dass er von Gott gewollt und geliebt ist. Aus diesen Gründen sollten die Eingliederung und aktive Teilnahme am gesellschaftlichen und kirchlichen Leben all derer, die in irgendeiner Weise durch Gebrechlichkeit oder Behinderung gekennzeichnet sind, so weit wie möglich gefördert werden.[99]
54. In einer breiteren Perspektive sollte man sich daran erinnern, dass die „Nächstenliebe, die das geistige Herzstück der Politik ist, […] eine Liebe [ist], die den Letzten den Vorzug gibt, und die hinter jeder Handlung steht, die zu ihren Gunsten vollzogen wird. […], sich der Gebrechlichkeit anzunehmen, [es] bedeutet Kraft und Zärtlichkeit, bedeutet Kampf und Fruchtbarkeit inmitten eines funktionellen und privatistischen Modells, das unweigerlich zur «Wegwerf-Kultur» führt. […] Es bedeutet, die Gegenwart in ihrer nebensächlichsten und am meisten beängstigenden Situation auf sich zu nehmen und fähig zu sein, sie mit Würde zu salben.‘ So ruft man gewiss eine intensive Tätigkeit ins Leben, denn es, muss alles getan werden, um den Status und die Würde der menschlichen Person zu schützen‘.“[100]
Gender-Theorie
55. Die Kirche möchte vor allem „bekräftigen, dass jeder Mensch, unabhängig von seiner sexuellen Orientierung, in seiner Würde geachtet und mit Respekt aufgenommen werden soll und sorgsam zu vermeiden ist, ihn ‚in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen‘ oder ihm gar mit Aggression und Gewalt zu begegnen“[101]. Aus diesem Grund muss es als Verstoß gegen die Menschenwürde angeprangert werden, dass mancherorts nicht wenige Menschen allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung inhaftiert, gefoltert und sogar des Lebens beraubt werden.
56. Gleichzeitig hebt die Kirche entscheidende Kritikpunkte in der Gender-Theorie hervor. In diesem Zusammenhang erinnerte Papst Franziskus daran, dass „[d]er Weg des Friedens […] die Achtung der Menschenrechte [erfordert], wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, deren 75-jähriges Bestehen wir kürzlich gefeiert haben, einfach und klar formuliert sind. Es handelt sich dabei um rational einleuchtende und allgemein anerkannte Grundsätze. Leider haben die Versuche der letzten Jahrzehnte, neue Rechte einzuführen, die nicht ganz mit den ursprünglich definierten übereinstimmen und nicht immer akzeptabel sind, zu ideologischen Kolonisierungen geführt, unter denen die Gender-Theorie eine zentrale Rolle spielt, die sehr gefährlich ist, weil sie mit ihrem Anspruch, alle gleich zu machen, die Unterschiede auslöscht“.[102]
57. Im Hinblick auf die Gender-Theorie, über deren wissenschaftliche Konsistenz in der Fachwelt viel diskutiert wird, erinnert die Kirche daran, dass das menschliche Leben in all seinen Bestandteilen, körperlich und geistig, ein Geschenk Gottes ist, von dem gilt, dass es mit Dankbarkeit angenommen und in den Dienst des Guten gestellt wird. Über sich selbst verfügen zu wollen, wie es die Gender-Theorie vorschreibt, bedeutet ungeachtet dieser grundlegenden Wahrheit des menschlichen Lebens als Gabe nichts anderes, als der uralten Versuchung des Menschen nachzugeben, sich selbst zu Gott zu machen und in Konkurrenz zu dem wahren Gott der Liebe zu treten, den uns das Evangelium offenbart.
58. Ein zweiter Punkt der Gender-Theorie ist, dass sie versucht, den größtmöglichen Unterschied zwischen Lebewesen zu leugnen: den der Geschlechter. Dieser fundamentale Unterschied ist nicht nur der größtmöglich vorstellbare, sondern auch der schönste und mächtigste: Er bewirkt im Paar von Mann und Frau die bewundernswerteste Gegenseitigkeit und ist somit die Quelle jenes Wunders, das uns immer wieder in Erstaunen versetzt, nämlich die Ankunft neuer menschlicher Wesen in der Welt.
59. In diesem Sinne ist der Respekt vor dem eigenen Leib und dem der anderen angesichts der Ausbreitung und des Anspruchs auf neue Rechte, die von der Gender-Theorie propagiert werden, wesentlich. Diese Ideologie „stellt eine Gesellschaft ohne Geschlechterdifferenz in Aussicht und höhlt die anthropologische Grundlage der Familie aus.“[103] Es ist daher inakzeptabel, „dass einige Ideologien dieser Art, die behaupten, gewissen und manchmal verständlichen Wünschen zu entsprechen, versuchen, sich als einzige Denkweise durchzusetzen und sogar die Erziehung der Kinder zu bestimmen. Man darf nicht ignorieren, dass ,das biologische Geschlecht (sex) und die soziokulturelle Rolle des Geschlechts (gender) unterschieden, aber nicht getrennt werden [können]‘.“[104] Deshalb sind alle Versuche abzulehnen, die den Hinweis auf den unaufhebbaren Geschlechtsunterschied zwischen Mann und Frau verschleiern: „[M]an [kann] das, was männlich und weiblich ist, nicht von dem Schöpfungswerk Gottes trennen […], das vor allen unseren Entscheidungen und Erfahrungen besteht und wo es biologische Elemente gibt, die man unmöglich ignorieren kann“[105]. Nur wenn jede menschliche Person diesen Unterschied in Wechselseitigkeit erkennen und akzeptieren kann, wird sie fähig, sich selbst, ihre Würde und ihre Identität voll zu entdecken.
Geschlechtsumwandlung
60. Die Würde des Leibes kann nicht als geringer angesehen werden als die der Person als solcher. Der Katechismus der katholischen Kirche fordert uns ausdrücklich auf, anzuerkennen, dass „[d]er Leib des Menschen […] an der Würde des Seins, nach dem Bilde Gottes‘ teil[hat]“[106]. An diese Wahrheit gilt es besonders bezüglich der Frage der Geschlechtsumwandlung zu erinnern. Der Mensch besteht untrennbar aus Leib und Seele, und der Leib ist der lebendige Ort, an dem sich das Innere der Seele entfaltet und manifestiert, auch durch das Netz menschlicher Beziehungen. Seele und Leib, die das Wesen der Person ausmachen, haben somit Anteil an der Würde, die jeden Menschen kennzeichnet.[107] In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der menschliche Leib insofern an der Würde der Person teilhat, als er mit persönlichen Bedeutungen ausgestattet ist, insbesondere in seiner geschlechtlichen Beschaffenheit.[108] Denn im Leib erkennt sich jeder Mensch als von anderen gezeugt, und es ist durch ihren Leib, dass Mann und Frau eine Liebesbeziehung aufbauen können, die wiederum fähig ist, andere Personen zu zeugen. Über Notwendigkeit der Achtung der natürlichen Ordnung der menschlichen Person, lehrt Papst Franziskus: „Die Schöpfung geht uns voraus und muss als Geschenk empfangen werden. Zugleich sind wir berufen, unser Menschsein zu behüten, und das bedeutet vor allem, es so zu akzeptieren und zu respektieren, wie es erschaffen worden ist“[109]. Daraus folgt, dass jeder geschlechtsverändernde Eingriff in der Regel die Gefahr birgt, die einzigartige Würde zu bedrohen, die ein Mensch vom Moment der Empfängnis an besitzt. Damit soll nicht ausgeschlossen werden, dass eine Person mit bereits bei der Geburt vorhandenen oder sich später entwickelnden genitalen Anomalien sich für eine medizinische Behandlung zur Behebung dieser Anomalien entscheiden kann. In diesem Fall würde die Operation keine Geschlechtsumwandlung in dem hier beabsichtigten Sinne darstellen.
Gewalt in der digitalen Welt
61. Der Fortschritt der digitalen Technologien bietet zwar viele Möglichkeiten, die Menschenwürde zu fördern, doch tendiert er zunehmend dazu, eine Welt zu schaffen, in der Ausbeutung, Ausgrenzung und Gewalt zunehmen, was so weit gehen kann, dass die Würde der menschlichen Person verletzt wird. Man denke daran, wie leicht es mit diesen Mitteln ist, den guten Namen eines Menschen durch falsche Berichterstattung und Verleumdung zu gefährden. In diesem Zusammenhang betont Papst Franziskus, dass „es ungesund [ist], Kommunikation mit rein virtuellem Kontakt zu verwechseln. Tatsächlich ist die digitale Welt ‚auch ein Ort der Einsamkeit, Manipulation, Ausbeutung und Gewalt, die sich im Extremfall im Dark Web manifestieren. Durch digitale Medien besteht die Gefahr, dass Nutzer abhängig werden, sich isolieren und immer stärker den Kontakt zur konkreten Wirklichkeit verlieren, wodurch die Entwicklung echter zwischenmenschlicher Beziehungen behindert wird. Neue Formen der Gewalt breiten sich über die Sozialen Medien aus, wie z. B. Cybermobbing; das Internet dient auch als Kanal zur Verbreitung von Pornografie und der Ausbeutung von Menschen für sexuelle Zwecke oder durch Glücksspiel‘.“[110] Und so kommt es paradoxerweise auch dazu, dass dort, wo die Verbindungsmöglichkeiten zunehmen, man sich zunehmend isoliert und an zwischenmenschlichen Beziehungen verarmt: „In der digitalen Kommunikation will man alles zeigen, und jeder Einzelne wird auf anonymem Weg zu einem Objekt, das bespitzelt, entblößt und in die Öffentlichkeit gezerrt wird. Die Achtung vor dem anderen bröckelt, und auf diese Weise – gerade wenn ich ihn verdränge, ihn nicht beachte und auf Distanz halte – kann ich ohne irgendeine Scham bis zum Äußersten in sein Leben eindringen“[111]. Solche Tendenzen stellen eine dunkle Seite des digitalen Fortschritts dar.
62. In dieser Perspektive, wenn die Technologie der Menschenwürde dienen und nicht schaden soll und wenn sie den Frieden und nicht die Gewalt fördern soll, dann muss die menschliche Gemeinschaft diesen Tendenzen in der Achtung vor der Menschenwürde gegenübertreten und das Gute fördern: „In dieser globalisierten Welt ‚können die Medien dazu verhelfen, dass wir uns einander näher fühlen, dass wir ein neues Gefühl für die Einheit der Menschheitsfamilie entwickeln, das uns zur Solidarität und zum ernsthaften Einsatz für ein würdigeres Leben drängt. […] Die Medien können uns dabei behilflich sein, besonders heute, da die Kommunikationsnetze der Menschen unerhörte Entwicklungen erreicht haben. Besonders das Internet kann allen größere Möglichkeiten der Begegnung und der Solidarität untereinander bieten, und das ist gut, es ist ein Geschenk Gottes‘. Es muss allerdings ständig überprüft werden, ob uns die heutigen Formen der Kommunikation tatsächlich zu einer großherzigen Begegnung, zu einer aufrichtigen Suche nach der vollen Wahrheit, zum Dienst, zur Nähe zu den Geringsten, zum Einsatz für den Aufbau des Gemeinwohls führen.“[112]
Schluss
63. Anlässlich des 75. Jahrestages der Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948) bekräftigte Papst Franziskus, dass dieses Dokument „wie ein Königsweg [ist], auf dem viele Fortschritte gemacht wurden, wo aber noch sehr viele weitere Schritte fehlen, und manchmal machen wir leider auch Rückschritte. Der Einsatz für die Menschenrechte ist nie zu Ende! In dieser Hinsicht bin ich all jenen nahe, die im konkreten Alltag ohne viel Aufhebens persönlich für die Rechte derjenigen kämpfen und einstehen, die nicht zählen.“[113]
64. In diesem Sinne fordert die Kirche mit dieser Erklärung nachdrücklich, dass die Achtung der Würde der menschlichen Person unabhängig von allen Umständen in den Mittelpunkt des Einsatzes für das Gemeinwohl und jeder Rechtsordnung gestellt wird. Die Achtung der Würde jedes einzelnen Menschen ist nämlich die unverzichtbare Grundlage für die Existenz jeder Gesellschaft, die den Anspruch erhebt, sich auf ein gerechtes Recht und nicht auf Macht zu gründen. Auf der Grundlage der Anerkennung der Menschenwürde werden die grundlegenden Menschenrechte gewahrt, die jedem zivilisierten Zusammenleben vorausgehen und zugrunde liegen.[114]
65. Jeder einzelnen Person und zugleich jeder menschlichen Gemeinschaft kommt die Aufgabe zu, die Menschenwürde konkret und wirksam zu verwirklichen, während es die Pflicht der Staaten ist, sie nicht nur zu schützen, sondern auch jene Bedingungen zu gewährleisten, die notwendig sind, damit sie sich in der ganzheitlichen Förderung der menschlichen Person entfalten kann: „Im politischen Einsatz muss man daran erinnern: ‚Jenseits aller äußeren Erscheinung ist jeder unendlich heilig und verdient unsere Liebe und unsere Hingabe‘.“[115]
66. Auch heute, angesichts so vieler Verletzungen der Menschenwürde, die die Zukunft des Menschengeschlechts ernsthaft bedrohen, ermutigt die Kirche zur Förderung der Würde jeder menschlichen Person, unabhängig von ihren körperlichen, geistigen, kulturellen, sozialen und religiösen Eigenschaften. Sie tut dies in der Hoffnung und in der Gewissheit der Kraft, die vom auferstandenen Christus ausgeht, der die ganzheitliche Würde eines jeden Menschen in ihrer ganzen Fülle offenbart hat. Diese Gewissheit wird in den Worten von Papst Franziskus zu einem Appell: „Jeden Menschen dieser Welt bitte ich, diese seine Würde nicht zu vergessen; niemand hat das Recht, sie ihm zu nehmen“[116].
Papst Franziskus hat bei der Audienz, die dem unterzeichneten Präfekten des Dikasteriums für die Glaubenslehre am 25. März 2024 gewährt wurde, die vorliegende Erklärung approbiert, die in der Ordentlichen Sitzung dieses Dikasteriums am 28. Februar 2024 beschlossen wurde, und ihre Veröffentlichung angeordnet.
Gegeben in Rom, am Sitz des Dikasteriums für die Glaubenslehre, am 2. April 2024, dem 19. Todestag des Heiligen Johannes Paul II.
Víctor Manuel Kard. Fernández
Präfekt
Msgr. Armando Matteo
Sekretär für die doktrinäre Sektion
EX AUDIENTIA DIE25.03.2024
FRANCISCUS
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[1] Hl. Johannes Paul II., Angelus mit den Behinderten in der Kathedrale von Osnabrück (16. November 1980): Insegnamenti III/2 (1980), S. 1232.
[2] Franziskus, Apost. Schreiben Laudate Deum (4. Oktober 2023), Nr. 39: L’Osservatore Romano (4. Oktober 2023), S. III.
[3] Im Jahre 1948 haben die Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet, die aus dreißig Artikeln besteht. Das Wort „Würde“ kommt darin fünfmal vor, und zwar an strategischen Stellen: in den ersten Worten der Präambel und im ersten Satz des ersten Artikels. Diese Würde wird allen „Mitglieder[n] der Gemeinschaft der Menschen“ zugesprochen (Präambel) und „alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ (Artikel 1).
[4] Betrachtet man nur die Neuzeit, so kann man sehen, wie die Kirche die Bedeutung der Menschenwürde immer stärker betont hat. Das Thema wurde insbesondere in der Enzyklika Rerum novarum von Papst Leo XIII. (1891), in der Enzyklika Quadragesimo anno von Papst Pius XI. (1931) und in der Allokution an die Teilnehmerinnen des Kongresses der Italienischen Katholischen Union der Hebammen von Papst Pius XII. (1951) behandelt. Das Zweite Vatikanische Konzil hat dieses Thema dann besonders vertieft, indem es dem Thema mit der Erklärung Dignitatis humanae (1965) ein ganzes Dokument widmete und die menschliche Freiheit auch in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes (1965) erörterte.
[5] Hl. Paul VI., Generalaudienz (4. September 1968): Insegnamenti VI (1968), S. 886.
[6] Hl. Johannes Paul II., Ansprache bei der 3. Generalversammlung der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz (28. Januar 1979), III.1–2: Insegnamenti II/1 (1979), S. 202–203.
[7] Benedikt XVI., Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für das Leben (13. Februar 2010): Insegnamenti VI/1 (2011), S. 218.
[8] Benedikt XVI., Ansprache an die Mitglieder der Entwicklungsbank des Europarats, Sala Clementina (12. Juni 2010): Insegnamenti VI/1 (2011), S. 912–913.
[9] Franziskus, Apost. Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), Nr. 178: AAS 105 (2013), S. 1094, inneres Zitat: Hl. Johannes Paul II., Angelus mit den Behinderten in der Kathedrale von Osnabrück (16. November 1980): Insegnamenti III/2 (1980), S. 1232.
[10] Franziskus, Enz. Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nr. 8: AAS 112 (2020), S. 971.
[11] Ebd., Nr. 277: AAS 112 (2020), S. 1069.
[12] Ebd., Nr. 213: AAS 112 (2020), S. 1045.
[13] Ebd., Nr. 213: AAS 112 (2020), S. 1045, inneres Zitat: Franziskus, Botschaft an die Teilnehmer der Internationalen Konferenz „Menschenrechte in der heutigen Welt: Errungenschaften, Unterlassungen, Verweigerungen“ (10. Dezember 2018): L’Osservatore Romano (10.–11. Dezember 2018), S. 8.
[14] Auf die Erklärung der Vereinten Nationen von 1948 folgten deren weitere Überarbeitungen: der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 und die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa von 1975.
[15] Vgl. Internationale Theologische Kommission, Würde und Rechte der menschlichen Person (1983), Einleitung, 3. Ein Kompendium der katholischen Lehre zur Menschenwürde findet sich in Katechismus der katholischen Kirche, im Kapitel unter dem Titel „Die Würde des Menschen”, Nrn. 1700–1876.
[16] Franziskus, Enz. Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nr. 22: AAS 112 (2020), S. 976.
[17] Boethius, Contra Eutychen et Nestorium, Kap. 3: PL 64, S. 1344: „persona est rationalis naturae individua substantia“. Vgl. Hl. Bonaventura, Commentaria in librum I Sententiarum, d. 25, a. 1, q. 2; Hl. Thomas von Aquin, Summa theologiae, I, q. 29, a. 1, resp.
[18] Da es nicht das Ziel dieser Erklärung ist, eine erschöpfende Abhandlung über den Begriff der Würde zu verfassen, wird hier um der Kürze willen exemplarisch nur die sogenannte klassische griechische und römische Kultur als Bezugspunkt der frühchristlichen philosophischen und theologischen Reflexion erwähnt.
[19] Vgl. z. B. Cicero, De Officiis I, 105–106: „sed pertinet ad omnem officii quaestionem semper in promptu habere, quantum natura hominis pecudibus reliquisque beluis antecedat […] Atque etiam si considerare volumus, quae sit in natura excellentia et dignitas, intellegemus, quam sit turpe diffluere luxuria et delicate ac molliter vivere quamque honestum parce, continenter, severe, sobrie“ (Scriptorum Latinorum Biblioteca Oxoniensis, hrsg. v. M. Winterbottom, Oxford 1994, S. 43). In deutscher Übersetzung: „Es kommt bei der ganzen Untersuchung über die Pflicht darauf an, immer vor Augen zu haben, wie sehr die Natur des Menschen dem Vieh und den übrigen Tieren überlegen ist […] Und wenn wir uns vor Augen halten wollen, welche Überlegenheit und Würde in unserer Natur liegen, werden wir auch verstehen, wie schändlich es ist, sich Ausschweifungen zu ergeben und üppig und verweichlicht zu leben, und wie moralisch es ist, ein sparsames, enthaltsames, ernsthaftes und nüchternes Leben zu führen“, Vom pflichtgemäßen Handeln. Lateinisch – Deutsch, hrsg. v. R. Nickel, De Gruyter, Berlin 2013, S. 89.
[20] Vgl. Hl. Paul VI., Pilgerfahrt ins Heilige Land – Besuch der Verkündigungsbasilika in Nazareth (5. Januar 1964): AAS 56 (1964), S. 166–170.
[21] Unter den verschiedenen Belegen vgl. z. B. Hl. Clemens von Rom, 1 Clem. 33, 4f: PG 1, S. 273; Theophilus von Antiochien, Ad Aut. I, 4: PG 6, 1029; Hl. Clemens von Alexandrien, Strom. III, 42, 5–6: PG 8, S. 1145; ebd., VI, 72, 2: PG 9, S. 293; Hl. Irenäus von Lyon, Adv. Haer. V, 6, 1: PG 7, S. 1137–1138; Origenes, De princ. III, 6,1: PG 11, S. 333; Hl. Augustinus, De Gen. ad lit. VI, 12: PL 34, S. 348. De Trin.XIV, 8, 11: PL 42, S. 1044–1045.
[22] Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, I, q. 29, a. 3, resp.: „persona significat id, quod est perfectissimum in tota natura, scilicet subsistens in rationali natura“.
[23] Man denke nur an Giovanni Pico della Mirandola und seinen berühmten Text Orario de hominis dignitate (1486).
[24] Für einen jüdischen Denker wie E. Levinas (1906–1995) wird der Mensch durch seine Freiheit insofern qualifiziert, als er sich in unendlicher Weise für den anderen Menschen verantwortlich entdeckt.
[25] Einige der großen christlichen Denker des 19. und 20. Jahrhunderts, wie der heilige J. H. Newman, der selige A. Rosmini, J. Maritain, E. Mounier, K. Rahner, H. U. von Balthasar und andere, haben es geschafft, ein Menschenbild vorzulegen, das mit den Denkströmungen unseres beginnenden 21. Jahrhunderts, unabhängig von ihrer, auch der postmodernen Inspiration, wirksam in Dialog treten kann.
[26] Aus diesem Grund besagt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte implizit, „dass die Quelle der unveräußerlichen Menschenrechte in der Würde jeder menschlichen Person liegt“: Internationale Theologische Kommission, Auf der Suche nach einer universalen Ethik. Ein neuer Blick auf das natürliche Sittengesetz (2009), Nr. 115.
[27] II. Vatikanisches Konzil, Past. Konst. Gaudium et Spes (7. Dezember 1965), Nr.26: AAS 58 (1966), S. 1046; das gesamte erste Kapitel des ersten Hauptteils der Konstitution (Nr. 11–22) ist der „Würde des der menschlichen Person“ gewidmet.
[28] II. Vatikanisches Konzil, Erkl. Dignitatis humanae (7. Dezember 1965), Nr.1: AAS 58 (1966), S. 929.
[29] Ebd., Nr.2: AAS 58 (1966), S. 931.
[30] Kongregation für die Glaubenslehre, Instr. Dignitas personae, Nr. 7: AAS 100 (2008), S. 863. Vgl. auch Irenäus von Lyon, Adv. Haer. V, 16, 2: PG 7, S. 1167–1168.
[31] Da „der Sohn Gottes, […] sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt hat“ (II. Vatikanisches Konzil, Past. Konst. Gaudium et Spes [7. Dezember 1965], Nr. 22: AAS 58 [1966], S. 1042), wird die Würde jedes Menschen in ihrer Fülle durch Christus geoffenbart.
[32] II. Vatikanisches Konzil, Past. Konst. Gaudium et spes (7. Dezember 1965), Nr.19: AAS 58 (1966), S. 1038.
[33] Hl. Johannes Paul II., Enz. Evangelium vitae (25. März 1995),Nr. 38: AAS 87 (1995), S. 443, inneres Zitat: Hl. Irenäus von Lyon, Adv. Haer. IV, 20,7: PG 7, S. 1037–1038.
[34] In der Tat hat Christus den Getauften eine neue Würde verliehen, nämlich die der „Kinder Gottes“: vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nrn. 1213, 1265, 1270, 1279.
[35] II. Vatikanisches Konzil, Erkl. Dignitatis humanae (7. Dezember 1965), Nr. 9: AAS 58 (1966), S. 935.
[36] Vgl. Hl. Irenäus von Lyon, Adv. Haer. V, 6, 1. V, 8, 1. V, 16, 2: PG 7, S. 1136–1138. 1141–1142. 1167–1168; Hl. Johannes von Damaskus, De fide orth. 2, 12: PG 94, S. 917–930.
[37] Benedikt XVI., Ansprache in Westminster Hall (17. September 2010): Insegnamenti VI/2 (2011), S. 240.
[38] Franziskus, Generalaudienz (12. August 2020): L’Osservatore Romano (13. August 2020), S. 8, innere Zitate: Hl. Johannes Paul II., Ansprache an die Vollversammlung der Vereinten Nationen (2. Oktober 1979), Nr. 7 und Ders., Ansprache an die Vollversammlung der Vereinten Nationen (5. Oktober 1995),Nr. 2.
[39] Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instr. Dignitas Personae (8. September 2008), Nr. 8: AAS 100 (2008), S. 863–864.
[40] Internationale Theologische Kommission, Die Religionsfreiheit im Dienste des Allgemeinwohls (2019), Nr. 38.
[41] Vgl. Franziskus, Ansprache an das beim Heiligen Stuhl akkreditierte diplomatische Korps (8. Januar 2024): L’Osservatore Romano (8. Januar 2024), S. 3.
[42] Hl. Johannes Paul II., Enz. Evangelium vitae (25. März 1995), Nr. 19: AAS 87 (1995), S. 422.
[43] Franziskus, Enz. Laudato si’ (24. Mai 2015),Nr. 69: AAS 107 (2015), S. 875, inneres Zitat: Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 339.
[44] Franziskus, Apost. Schreiben Laudate Deum (4. Oktober 2023), Nr. 67: L’Osservatore Romano (4. Oktober 2023), IV.
[45] Ebd., Nr. 63: L’Osservatore Romano (4. Oktober 2023), IV.
[46] Katechismus der katholischen Kirche, Nr.1730.
[47] Benedikt XVI., Botschaft zur Feier des 44. Weltfriedenstages (1. Januar 2011), Nr. 3: Insegnamenti VI/2 (2011), S. 979.
[48] Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Kompendium der Soziallehre der Kirche, Nr. 137.
[49] Franziskus, Enz. Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nr. 109: AAS 112 (2020), S. 1006.
[50] Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Kompendium der Soziallehre der Kirche, Nr. 137.
[51] Franziskus, Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Treffens der Volksbewegungen (28. Oktober 2014): AAS 106 (2014), S. 858.
[52] Franziskus, Enz. Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nr. 107: AAS 112 (2020), S. 1005–1006.
[53] II. Vatikanisches Konzil, Past. Konst. Gaudium et spes (7. Dezember 1965), Nr. 27: AAS 58 (1966), S. 1047.
[54] Ebd.
[55] Ebd.
[56] Vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 2267 und Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe über die neue Formulierung der Nr. 2267 des Katechismus der katholischen Kirche bezüglich der Todesstrafe (1. August 2018), Nrn. 7–8.
[57] Franziskus, Enz. Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nr. 269: AAS 112 (2020), S. 1065.
[58] Hl. Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo Rei Socialis (30. Dezember 1987), Nr. 28: AAS 80 (1988), S. 549.
[59] Benedikt XVI., Enz. Caritas in veritate (29. Juni 2009), Nr. 22: AAS 101 (2009), S. 657, inneres Zitat: Paul VI., Enz. Populorum progressio (26. März 1967), Nr. 9: AAS 59 (1967), S. 261–262.
[60] Franziskus, Enz. Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nr. 21: AAS 112 (2020), S. 976, inneres Zitat: Benedikt XVI., Enz. Caritas in veritate (29 giugno 2009), Nr. 22: AAS 101 (2009), S. 657.
[61] Franziskus, Nr. 20: AAS 112 (2020), S. 975–976. Vgl. auch das „Gebet zum Schöpfer“ am Ende dieser Enzyklika.
[62] Ebd., Nr. 116: AAS 112 (2020), S. 1009, inneres Zitat: Franziskus, Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Treffens der Volksbewegungen (28. Oktober 2014): AAS 106 (2014), S. 851–852.
[63] Franziskus, Enz. Fratelli tutti, Nr. 162: AAS 112 (2020), S. 1025, inneres Zitat: Franziskus, Ansprache an das beim Heiligen Stuhl akkreditierte diplomatische Korps (12. Januar 2015): AAS 107 (2015), S. 165.
[64] Ebd., Nr. 25: AAS 112 (2020), S. 978, inneres Zitat: Franziskus, Botschaft zur Feier der 49. Weltfriedenstages (1. Januar 2016): AAS 108 (2016), S. 49.
[65] Franziskus, Botschaft an die Teilnehmer der VI. Veranstaltung des „Forum de Paris sur la Paix“ (10. November 2023): L’Osservatore Romano (10. November 2023), S. 7, inneres Zitat: Ders., Generalaudienz (23. März 2022): L’Osservatore Romano (23. März 2022), S. 3.
[66] Franziskus, Ansprache bei der Konferenz der Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (COP 28) (2. Dezember 2023): L’Osservatore Romano (2. Dezember 2023), S. 2.
[67] Vgl. Hl. Paul VI., Ansprache an die Vereinten Nationen (4. Oktober 1965): AAS 57 (1965), S. 881.
[68] Hl. Johannes Paul II., Enz. Redemptor hominis (4. März 1979),Nr. 16: AAS 71 (1979), S. 295.
[69] Franziskus, Enz. Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nr. 258: AAS 112 (2020), S. 1061.
[70] Franziskus, Ansprache an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (14. Juni 2023): L’Osservatore Romano (15. Juni 2023), S. 8.
[71] Franziskus, Ansprache am Weltgebetstag für den Frieden (20. September 2016): L’Osservatore Romano (22. September 2016), S. 5.
[72] Vgl. Franziskus, Enz. Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nr. 38: AAS 112 (2020), S. 983: „Folglich muss auch ,das Recht nicht auszuwandern – das heißt, in der Lage zu sein, im eigenen Land zu bleiben – bekräftigt werden‘“, inneres Zitat: Benedikt XVI., Botschaft zum 99. Welttag des Migranten und Flüchtlings (12. Oktober 2012): AAS 104 (2012), S. 908.
[73] Vgl. Franziskus, Enz. Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nr. 38: AAS 112 (2020), S. 982–983.
[74] Ebd., Nr. 39: AAS 112 (2020), S. 983.
[75] Benedikt XVI., Enz. Caritas in veritate (29. Juni 2009), Nr. 62: AAS 101 (2009), S. 697.
[76] Franziskus, Enz. Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nr. 39: AAS 112 (2020), S. 983.
[77] An dieser Stelle kann es nützlich sein, an die Erklärung Pauls III. über die Würde der Menschen in den Ländern der „Neuen Welt“ in der Bulle Pastorale officium (29. Mai 1537) zu erinnern, in der er – unter Androhung der Exkommunikation – feststellt, dass die Bewohner dieser Territorien, „auch wenn sie sich außerhalb des Schoßes der Kirche befinden, dennoch nicht ihrer Freiheit oder der Herrschaft über ihren Besitz […] zu berauben seien, da sie Menschen und deshalb fähig zum Glauben und zum Heil sind“ [„licet extra gremium Ecclesiae existant, non tamen sua libertate, aut rerum suarum dominio […] privandos esse, et cum homines, ideoque fidei et salutis capaces sint“]: DH 1495.
[78] Franziskus, Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rats der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs (24. Mai 2013): AAS 105 (2013), S. 470–471.
[79] Franziskus, Ansprache an die Mitglieder der UN-Generalversammlung, New York (25. September 2015): AAS 107 (2015), S. 1039.
[80] Franziskus, Ansprache an eine Gruppe neuer Botschafter beim Heiligen Stuhl (12. Dezember 2013): L’Osservatore Romano (13. Dezember 2013), S. 8.
[81] Franziskus, Ansprache an die Teilnehmer der internationalen Konferenz zum Menschenhandel (11. April 2019): AAS 111 (2019), S. 700.
[82] Abschlussdokument der XV. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode (27. Oktober 2018), Nr. 29.
[83] Franziskus, Enz. Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nr. 23: AAS 112 (2020), S. 977, inneres Zitat: Ders., Apost. Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), Nr. 212: AAS 105 (2013), S. 1108.
[84] Hl. Johannes Paul II., Brief an die Frauen (29. Juni 1995), Nr. 4: Insegnamenti XVIII/1 (1997), S. 1874.
[85] Ebd., Nr. 5: Insegnamenti XVIII/1 (1997), S. 1875.
[86] Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1645.
[87] Franziskus, Ansprache bei der Marienandacht – Unsere Liebe Frau vom Tor (20. Januar 2018): AAS 110 (2018), Nr. 329.
[88] Franziskus, Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für die Glaubenslehre (21. Januar 2022): L’Osservatore Romano (21. Januar 2022), S. 8.
[89] Hl. Johannes Paul II., Enz. Evangelium vitae (25. März 1995), Nr. 58: AAS 87 (1995), S. 466–467. Zur Frage der Achtung gegenüber menschlichen Embryonen siehe Kongregation für die Glaubenslehre, Instr. Donum vitae (22. Februar 1987): „Die Praxis, menschliche Embryonen in vivo oder in vitro für experimentelle oder kommerzielle Zwecke am Leben zu erhalten, steht in völligem Widerspruch zur menschlichen Würde.“ (I, 4): AAS 80 (1988), S. 82.
[90] Franziskus, Apost. Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), Nr. 213: AAS 105 (2013), S. 1108.
[91] Ebd.
[92] Franziskus, Ansprache an das beim Heiligen Stuhl akkreditierte diplomatische Korps (8. Januar 2024): L’Osservatore Romano (8. Januar 2024), S. 3.
[93] Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instr. Dignitas Personae (8. September 2008), Nr. 16: AAS 100 (2008), S. 868–869. Alle diese Aspekte werden in der Instruktion der damaligen Kongregation für die Glaubenslehre mit dem Titel Donum vitae genau erwähnt (22. Februar 1987): AAS 80 (1988),S. 71–102.
[94] Kongregation für die Glaubenslehre, Brief Samaritanus Bonus (14. Juli 2020), V, Nr. 4: AAS 112 (2020), S. 925.
[95] Vgl. ebd., V, Nr. 1: AAS 112 (2020), S. 919.
[96] Franziskus, Generalaudienz (9. Februar 2022): L’Osservatore Romano (9. Februar 2022), S. 3.
[97] Vgl. vor allem Franziskus, Enz. Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nrn. 18–21: AAS 112 (2020), S. 975–976: „Der Ausschuss der Welt“. Die Nr. 188 derselben Enzyklika kommt zur Identifikation einer „Wegwerf-Kultur“.
[98] Vgl. Franziskus, Ansprache an die Teilnehmer der Tagung “Katechese und Menschen mit Behinderung“, gefördert durch den Päpstlichen Rat zur Förderung der Neuevangelisierung (21. Oktober 2017): L’Osservatore Romano (22. Oktober 2017), S. 8: „Die Verletzlichkeit gehört zum Wesen des Menschen“.
[99] Vgl. Franziskus, Botschaft zum internationalen Tag der Menschen mit Behinderung (3. Dezember 2020): AAS 112 (2020), S. 1185–1186.
[100] Franziskus, Enz. Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nrn. 187–188: AAS 112 (2020), S. 1035–1036, inneres Zitat: Ders., Ansprache an das Europaparlament, Straßburg (25. November 2014): AAS 106 (2014), S. 999, und Ders., Ansprache an die Vertreter des öffentlichen Lebens und an das diplomatische Korps, Bangui – Zentralafrikanische Republik (29. November 2015): AAS 107 (2015), S. 1320.
[101] Franziskus, Apost. Schreiben Amoris laetitia (19. März 2016), Nr. 250: AAS 108 (2016), S. 412–413, inneres Zitat: Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 2358.
[102] Franziskus, Ansprache an das beim Heiligen Stuhl akkreditierte diplomatische Korps (8. Januar 2024): L’Osservatore Romano (8. Januar 2024), S. 3.
[103] Franziskus, Apost. Schreiben Amoris laetitia (19. März 2016), Nr. 56: AAS 108 (2016), S. 334.
[104] Ebd., inneres Zitat: XIV. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode, Abschlussbericht (24. Oktober 2015), Nr. 58.
[105] Franziskus, Apost. Schreiben Amoris laetitia (19. März 2016), Nr. 286: AAS 108 (2016), S. 425.
[106] Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 364.
[107] Dies gilt auch für die Achtung vor dem Leib der Verstorbenen; vgl. z. B. Kongregation für die Glaubenslehre, Instr. Ad resurgendum cum Christo (15. August 2016), Nr. 3: AAS 108 (2016), S. 1290: „Indem die Kirche den Leichnam der Verstorbenen beerdigt, bekräftigt sie den Glauben an die Auferstehung des Fleisches. Zugleich möchte sie so die hohe Würde des menschlichen Leibes als wesentlicher Teil der Person, dessen Geschichte der Leib teilt, ins Licht stellen“. Ausführlicher dazu vgl. Internationale Theologische Kommission, Einige aktuelle Fragen der Eschatologie (1990), Nr. 5: „Der zur Auferstehung berufene Mensch“.
[108] Vgl. Franziskus, Enz. Laudato si’ (24. Mai 2015), Nr. 155: AAS 107 (2015), S. 909.
[109] Franziskus, Apost. Schreiben Amoris laetitia (19. März 2016), Nr. 56: AAS 108 (2016), S. 344.
[110] Franziskus, Apost. Schreiben Christus vivit (25. März 2019), Nr. 88: AAS 111 (2019), S. 413, inneres Zitat: Abschlussdokument der XV. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode (27. Oktober 2018), Nr. 23.
[111] Franziskus, Enz. Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nr. 42: AAS 112 (2020), S. 984.
[112] Franziskus, Enz. Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nr. 205: AAS 112 (2020), S. 1042, inneres Zitat: Ders., Botschaft zum 48. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel (24. Januar 2014): AAS 106 (2014), S. 113.
[113] Franziskus, Angelus (10. Dezember 2023): L’Osservatore Romano (11. Dezember 2023), S. 12.
[114] Vgl. Internationale Theologische Kommission, Würde und Rechte der menschlichen Person (1983), Nr. 2.
[115] Franziskus, Enz. Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nr. 195: AAS 112 (2020), S. 1038, inneres Zitat: Ders., Apost. Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), Nr. 274: AAS 105 (2013), S. 1130.
[116] Franziskus, Enz. Laudato si’ (24. Mai 2015), Nr. 205: AAS 107 (2015), S. 928.
[00588-DE.01] [Originalsprache: Italienisch]
Quelle: https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2024/04/08/0284/00588.html#de